Landeskirchen der neueren Provinzen. (8. 129.) 211
Kirchenzucht betreffen, ferner Vorbildung, Prüfung und Ordination für das geistliche Amt,
Anstellung und Entlassung der Geistlichen, Superintendenten und Generalsuperintendenten,
deren Amtsführung, Fortbildung und Wandel. In allen diesen Angelegenheiten darf das
Ministerium der geistlichen Angelegenheiten nur den Verfügungen des Landeskonsistoriums
Einhalt tun, nicht aber eigene Anordnungen ohne sein im Erlasse zu erwähnendes Ein-
verständnis treffen. Dagegen müssen allgemeine Anordnungen des Landeskonsistoriums vor
dem Erlaß dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten zur Einsicht vorgelegt werden.
Bei Kompetenzkonflikten zwischen beiden Behörden oder bei Meinungsverschiedenheiten über An-
gelegenheiten, in welchen beide zuständig sind, muß auf Vortrag des Ministers der geistlichen
Angelegenheiten die landesherrliche Entscheidung eingeholt werden; doch ist bei Gefahr im
Verzuge das Ministerium der geistlichen Angelegenheiten zu vorläufigen Anordnungen befugt.
Bei der Einverleibung des Königreichs Hannover im Jahre 1866 war die Kirchen-
vorstands= und Synodalordnung v. 9. Okt. 1864 nebst dem Staatsgesetz v. 9. Okt. 1864
nur erst so weit zur Ausführung gebracht, daß im ganzen Lande die Umbildung der
Kirchenvorstände beendet war. Die preußische Staatsregierung erließ durch den Minister
der geistlichen Angelegenheiten alsbald Anweisungen, auf Grund des Gesetzes v. 9. Okt.
1864 unverzüglich mit der Bildung von Bezirkssynoden und demnächst der Landessynode
vorzugehen. Infolgedessen ist im Jahre 1868 der größte Teil der Bezirkssynoden und
im Jahre 1869 der Rest gebildet worden und ins Leben getreten; im Herbst des Jahres
1869 trat auch die Landessynode zusammen. Im übrigen blieb die Kirchenverfassung
in der Provinz 3 zunächst unberührt.“
Erst zu Beginn der achtziger Jahre wurde, und zwar zunächst für die reformierte
Kirche der Provinz, zu einer Reform des überkommenen Rechtes geschritten. Der Allerh.
Erlaß v. 4. Mai 188157 genehmigte die Berufung einer außerordentlichen Synode zur
Beratung einer Kirchengemeinde= und Synodalordnung. Die Verordnung v. 4. Mai 1881°
traf nähere Bestimmungen über Zusammensetzung und Zuständigkeit dieser außerordentlichen
Synode. Aus den Arbeiten? dieser Synode ging die durch Allerh. Erlaß vom 12. April 1882
1 Insbes. gebührt dem Min. d. geistl. Ang. Landessynodalordnung v. 9. Okt. 1864 (Amtsbl.
nicht mehr die Entscheidung in Disziplinarsachen der Provinz Hannover, Jahrg. 1869, Stück 34,
der Geistlichen als höhere Instanz, vorbehaltlich S. 388). Durch die Bekanntmachung des Landes-
jedoch der nach §. 74 des Landesverfassungsges. konsistoriums v. 1. Okt. 1869 (a. a. O., Stück 41,
v. 6. Aug. 1840 erforderlichen Bestätigung. S. 486) ist die Einberufung erfolgt.
2 Hierüber Erklär. des Regierungskommis- 3 Für das der Provinz Hannover einverleibte,
sars, Unterstaatssekretärs Lehnert, in der Sitz. vom Großherzog von Oldenburg an Preußen
des A. H. v. 23. Febr. 1868 (Stenogr. Ber. des abgetretene Jadegebiet bestimmte §. 6 des Ges. v.
A. H. 1867— 68, Bd. II, S. 1082 f.), und 23. März 1873, betr. den Rechtszustand des Jade-
Erklär. des Min. d. geistl. Ang. in der Sitz. des gebietes (G. S. 1873, S. 107 ff.), daß die Ein-
A. H. v. 11. Dez. 1868 (a. a. * v1868—-), führung der auf die Regelung des Kirchenwesens
Bd. I, S. 648) und in der Sitz. 27. Nov. bezüglichen, in Ostfriesland und dem Harlinger-
1869 (a. a. O., 1869 —70, S. ör *ê*“ — Im leande geltenden Gesetze, Verordnungen und son-
A. H. ist die Ansicht des Min. d. geistl. Ang., stigen Vorschriften ausgeschlossen und einem be-
daß die Ausführung des hannoverschen Ges. v. sonderen Gesetze vorbehalten bleibe. Das Jade-
9. Okt. 1864 dazu ausreiche, für die jetzige Pro= gebiet wurde im Jahre 1882 dem Konsistorial=
vinz Hannover die in Art. 15 der Verf. Urk. v. bezirk Aurich zugewiesen und die 1883 gebildete lu-
13. Jan. 1850 der evangel. Kirche zugesicherte therische Kirchengemeinde Wilhelmshaven 1885 der
Selbständigkeit in der Ordnung und Verwaltung lutherischen Provinzialkirche angeschlofsen. Durch
ihrer Angelegenheiten herbeizuführen, von meh= das Ges. v. 10. März 1832 (G. S. 1882, S. 17)
reren Seiten in Abrede gestellt worden. Vgl. und das Kirchenges. v. 28. Oul- 1885 (G. S.
insbes. die Außerungen der Abgeordn. Richter 1885, S. 353) wurden daselbst alle für das
und Techow in den Stenogr. Ber. des A. H. ehemalige Fürstentum Ostfriesland bzw. den Kon-
1867—68, Bd. II, S. 1079, 1085 und den von fsistorialbezirk Aurich rrlassenen lirchenrechtl. Vor-
ersterem gestellten, aber zurückgezogenen Antrag schriften einschl. der K. V. S. V. v. 1864 in
auf „Herstellung einer verfassungsmäßigen Kraft gesetzt. Schoen, . 1 S. 1413.
Kirchenregierung für die evangel. Kirche der neuen 4 Vgl. noch §. 27 des Gesetzes über die algemeine
und alten Provinzen“ (a. a. O., S. 1079, 1084), Landesverwaltung v. 30. Juli 1883 (G. S. 195).
ferner. die Außerungen des Abgeordn. Waldeck, 5 G. S. 1881, S. 285.
a. a. O. S. 1087 ff., und des Abgeordn. Miquel, 5 Ebenda S. 286 ff.
a. a. O., S. 1090 f. — Über die 1869 erfolgte * Raydt und Dirksen, Bericht über die
inkerenn der Landessynode vgl. die Verfügung Verhandl. der außerordentl. Synode (Vorsynode
des hannoverschen Landeskonsistoriums v. 14. Ang. Nov.-Dez. 1881) für die evangel.-reform. Ge-
1869, betr. die Ausführung der hannoverschen meinden der Provinz Hannover, unter Benutzung
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