394 Das Recht der Wirtschaftspflege. (8. 167.)
Zweites Kapitel.
Bergbau.1
S. 167.
I. Entwicklung der Gesetzgebung.
Der Bergbau bildet einen so wesentlichen Bestandteil des gesamten wirtschaftlichen
Lebens, daß er mit der Entwicklung der allgemeinen Produktion eine selbständige öffent-
liche Bedeutung erhält. Da die Masse des Urprodukts eine begrenzte, und dennoch für
das Ganze unentbehrlich ist, so liegt es im öffentlichen Interesse, daß die Produktion
nicht durch Einzelrechte an Grund und Boden unmöglich gemacht werde. Sodann ist
das erforderliche Anlage= und Betriebskapital so bedeutend, daß nur das Prinzip der
Erwerbsgesellschaft dem Bedürfnis zu genügen vermag, welches ein ausreichendes Vereins-
recht voraussetzt. Endlich aber ist der Betrieb seiner Natur nach mit eigentümlichen
Gefahren für die Arbeit verbunden, die im Sonderinteresse der Unternehmer leicht unbe-
rücksichtigt bleiben. Nach allen diesen Richtungen hin erfordert das Gesamtinteresse eine
öffentlich-rechtliche Ordnung und Verwaltung.
I. Die bergrechtliche Gesetzgebung des preußischen Staates beruhte bis zum
Jahre 1865 auf zwei voneinander verschiedenen Systemen. In den Landesteilen des
rechten Rheinufers gründete sie sich auf das deutsch-rechtliche System der Regalität des
Bergbaues 3, wogegen die in den Landesteilen des linken Rheinufers unter der Herrschaft
des französischen Kaiserreiches zur Einführung gelangte französische Gesetzgebung von
dem Grundsatze ausgeht, daß das Eigentum an Grund und Boden auch das Eigentum
an allem, was über und unter der Erde ist, nach sich ziehe, indem der Eigentümer
hierbei nur den durch die Gesetze vorgeschriebenen Einschränkungen unterliegt. Zwischen
diesen beiden bergrechtlichen Gesetzgebungen bestehen so durchgreifende Abweichungen, daß
sie als völlig getrennte Rechtssysteme erscheinen, zwischen denen so wenig Gemeinschaft
obwaltet, daß auch die meisten in neuerer Zeit ergangenen bergrechtlichen Spezialgesetze
das linke Rheinufer von ihrer Anwendung ausschlossen.
Die erste Revision der bergrechtlichen Gesetzgebung Preußens erfolgte unter der
Regierung Friedrichs II. An die Stelle der bis dahin in den bergbauenden Provinzen
geltenden lokalen Bergordnungen und Verordnungen traten drei revidierte Provinzial-
ordnungen: für das Herzogtum Kleve, Fürstentum Moers und die Grafschaft Mark v.
29. April 1766, für das Herzogtum Schlesien und die Grafschaft Glatz v. 5. Juni
1769 und für das Herzogtum Magdeburg, Fürstentum Halberstadt, Grafschaften Mans-
feld, Hohenstein und Reinstein v. 7. Dez. 1772. Es erging ferner für die königlichen
Hammer= und Hüttenwerke der Provinzen Brandenburg und Pommern eine Hütten= und
Hammerordnung v. 27. April 1769. Die drei revidierten Bergordnungen umfaßten bis
zum Jahre 1780 sämtliche Landesteile, in denen Bergbau betrieben wurde; im gleichen
Jahre kam bei der Einverleibung eines Anteils der Grafschaft Mansfeld die Eisleben-
Mansfeldsche Bergordnung v. 28. Okt. 1763 hinzu. Es wurde ferner bei der im
Jahre 1793 erfolgten Einverleibung Südpreußens dort die revidierte schlesische Berg-
ordnung v. 5. Juni 1769 nebst der Hütten= und Hammerordnung v. 27. April 1769
eingeführt. In diesem Zustande befand sich die bergrechtliche Gesetzgebung zur Zeit der
Redaktion des Allgemeinen Landrechts. Die Bearbeitung des Abschnittes: „Vom Berg-
werksregale“ (Tl. II, Tit. 16, Abschn. 4) erfolgte unter Konkurrenz des damaligen Berg-
1 Loening, S.443; Meyer-Dochow, 8. 62, 2 Einen Überblick über die Geschichte des preuß.
S. 260. — Arndt, Art. Bergbau, H. d. St. 2, Bergrechts gibt Voelkel zum fünfzigjährigen Be-
Bd. II, S. 742; Art. Bergwesen, W.2, Bd. I, stehen des Allgemeinen Berggesetzes in der Zeitschr.
S. 402. — Zeitschr. für Bergrecht. für Bergrecht (1915) Nr. 56, S. 472 und in den
Voelkel, Grundzüge des preuß. Berg= Grundzügen des preuß. Bergrechts 1914, S. 27 ff.
rechts, 1914. * Vgl. Goldene Bulle v. J. 1356, Kap. 9.