Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

Verhältnis der Eisenbahngesellschaften zum Staate. (S. 177.) 415 
zu gewähren, und wenn daneben noch die Benutzung der Transportmittel der Gesellschaft 
stattfindet, soll dieselbe nach billig mäßigen Sätzen besonders vergütet werden. Die 
Gesellschaft soll darauf Bedacht nehmen, eine Anzahl von Transportfahrzeugen so ein- 
zurichten, daß sie nötigenfalls auch zum Transporte von Pferden benutzt werden können, 
auch eine Anzahl von Wagen in einer Länge von 12 Fuß zum Gebrauche bei der Ab- 
sendung von Militäreffekten bereitzuhalten. Diese allgemeinen Bestimmungen sind auch 
in die landesherrlich bestätigten Statuten der meisten übrigen Eisenbahngesellschaften auf- 
genommen worden und auch in die mit fremden Regierungen abgeschlossenen Staats- 
verträge über die Ausführung von Eisenbahnunternehmungen. Die Reichsverfassung hat 
(Art. 47) bestimmt, daß sämtliche Eisenbahnverwaltungen verpflichtet sein sollen, den 
Anforderungen der Behörden des Reichs zur Benutzung der Eisenbahnen zum Zwecke der 
Verteidigung Deutschlands unweigerlich Folge zu leisten, und daß insbesondere das Militär 
und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern ist. Diese Bestim- 
mungen haben ihre nähere Feststellung in den betreffenden Vorschriften des Reichsgesetzes v. 
13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen und des Reichsgesetzes v. 13. Febr. 1875 
über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden gefunden. 
1. Das Reichsgesetz v. 13. Juni 1873 über die Kriegsleistungen (R. G. Bl., 
S. 129)1, dessen Vorschriften nach §. 1 von dem Tage an in Wirksamkeit treten, an 
welchem die bewaffnete Macht, bzw. eine Abteilung derselben mobil gemacht wird, stellt 
die betreffenden Verpflichtungen der Eisenbahnverwaltungen, und zwar gleichmäßig für 
die Privatbahnen wie für die Staatsbahnen, dahin fest: 
a) Jede Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet: 1. die für die Beförderung an Mann- 
schaften und Pferden erforderlichen Ausrüstungsgegenstände ihrer 2 Eisenbahnwagen vor- 
rätig zu halten; 2. die Beförderung der bewaffneten Macht 3 und der Kriegsbedürfnisse 
zu bewirken 1; 3. ihr Personal ?5 und ihr zur Herstellung und zum Betriebe von Eisen- 
bahnen dienliches Material herzustellen (§. 28 des Reichsges. v. 13. Juni 1873). 
b) Für die Bereithaltung der Ausrüstungsgegenstände der Eisenbahnwagen (8. 28, 
Nr. 1) wird eine Vergütung nicht gewährt. Für die Militärtransporte (§. 28, Nr. 2) 
und die Hergabe von Betriebsmaterial (§. 28, Nr. 3) erhalten die Eisenbahnverwaltungen 
Vergütungen nach Maßgabe eines vom Bundesrat zu erlassenden und von Zeit zu Zeit 
zu revidierenden allgemeinen Tarifs. Die Vergütung für das übrige hergegebene Ma- 
terial wird gemäß der §§. 15 und 33 des Gesetzes festgesetzt (§. 29).7 
0) Die den Eisenbahnverwaltungen nach §. 29 zu gewährenden Vergütungen werden 
bis nach Eingang, Prüfung und Feststellung der Liquidationen gestundet und von dem 
ersten Tage des auf den Eingang der gehörig belegten Liquidationen folgenden Monats 
mit vier vom Hundert verzinst. Die Zahlung der festgestellten Beträge und Zinsen er- 
folgt nach Maßgabe der verfügbaren Mittel (§. 30). 
  
1 Zur Ausführung dieses Gesetzes ist die kaiserl. 
Verordn. v. 1. April 1876 (R. G. Bl., S. 137) 
ergangen. 
2 Durch das Wort: „ihrer“ soll klargestellt 
werden, daß die Eisenbahnverwaltungen nur ihre 
eigenen Wagen mit derartigen Gegenständen ver- 
sehen müssen. 
Auch der Kriegsmarine. 
4 Dadurch soll ausgedrückt sein, daß es sich 
nicht um die Beförderung allein handelt, son- 
dern auch um die Anbringung der Voranstalten 
auf den Bahnhöfen usw., die zur Beförderung 
von Massen notwendig sind. 
5 Reichsmilitärges. v. 2. Mai 1874, S. 65. 
* Die Bahnverwaltungen sind nur zur Liefe- 
rung des in ihrem Eigentume befindlichen Mate- 
rials verpflichtet, können aber nicht dazu ange- 
halten werden, dergleichen Material durch Ankauf 
zu beschaffen. Uber die Frage, ob unter dem Aus- 
drucke: „Material“ nur das in den Vorratsräumen 
  
der Eisenbahnverwaltungen befindliche oder auch 
solches mit zu verstehen sei, das bereits mit dem 
Bahnkörper und den Gebäulichkeiten verbunden 
ist, z. B. die Schwellen und Schienen einer fer- 
tigen Bahnlinie (zur Verwendung für die Zwecke 
der Kriegführung), vgl. die Außerungen der 
Reichstagsabgeordn. Frhr. v. Hoverbeck und Hölder 
in den Stenogr. Ber. des Reichstags 1873, Bd. 1, 
S. 619 und Bd. II, S. 945. Juristisch können 
unter „Material“ nur solche Sachen verstanden 
werden, deren Bestimmung es ist, zur Herstellung 
irgendeiner Vorrichtung zu dienen. Wenn dieselben 
einmal eine solche Verwendung gefunden haben, 
so sind sie nicht mehr Material, sondern Be- 
standteile der betreffenden Vorrichtung als eines 
Ganzen. (Vgl. Seydel in den Annalen 1874, 
S. 1063.) 
7 Die Vergütung erfolgt nach den am Orte 
und zur Zeit der Leistung bestehenden Durchschnitts- 
preisen. Ausführungsverordn., Ziff. 14.
	        
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