426 Das Recht der Wirtschaftspflege. (8. 182.)
Gesetz v. 28. Febr. 1843 auch in diesem Bezirke durch die Verordnung v. 9. Jan. 1845 eingeführt
worden. «
Das Gesetz v. 28. Febr. 1843 zerfiel in drei Abschnitte, deren erster von der Benutzung der
Privatflüsse überhaupt handelte und deren zweiter die näheren Bestimmungen über die Rechte der
Uferbesitzer enthielt. Der dritte Abschnitt (§§. 56—59) behandelte die Bildung von Genossenschaften
zu Bewässerungsanlagen. Es waren drei Kategorien zu unterscheiden, nämlich a) Vorschriften
landespolizeilicher Natur (die Ufer= und Flußpolizei der Privatflüsse betreffend) — 88. 2—
12; b) materielle Bestimmungen privatrechtlicher Natur, welche die Wassernutzungs-
befugnisse der Grundbesitzer teils erst begründen, teils näher bestimmen — §§. 1 und 13—18;
c) Kulturverordnungen, und zwar oa) die im Interesse der Landeskultur den Unternehmern
beigelegten materiellen Befugnisse auf Einschränkung der Rechte anderer und Enteignung gegen Ent-
schädigung (s. 19, Nr. 2), nebst den näheren Bestimmungen und Grenzen dieser Kulturbefugnisse
(§§. 24—29), 6) die formellen Vorschriften über das Verfahren bei der Ausführung derartiger
Landeskulturanlagen, und zwar das auf Antrag des Unternehmers zu veranlassende Aufgebots= und
Präklusionsverfahren (s. 19, Nr. 1, und §S§. 20—22) und das infolge der Provokation des Unter-
nehmers eintretende Verfahren der Vermittlung und Leitung durch die Polizeibehörde (als Landes-
kulturbehörde) und durch deren Organe (§. 19, Nr. 2, und §§. 30—55).1 Der Unternehmer einer
Bewässerungsanlage bedurfte keiner polizeilichen Erlaubnis und Konzession mehr; ob er die Ver-
mittlung der Regierung beantragen wollte, wurde seinem Ermessen anheimgestellt (§. 19), indem
zufolge des in §. 1 an die Spitze gestellten obersten Grundsatzes die Nutzungsbefugnis des in den
Privatflüssen enthaltenen Wassers als ein Gegenstand des Privateigentums anerkannt wurde, der,
wo nicht besondere Rechtstitel (auch Provinzialgesetze und Lokalstatuten) ein anderes feststellen, dem
Uferbesitzer als Annexum seines Eigentums an Grund und Boden gehören sollte.
§. 182.
III. Wassergenossenschaften. Die Bestimmungen der §§. 56—59 des Gesetzes v. 28. Febr.
1843 über die Benutzung der Privatflüsse, welche die Bildung von Genossenschaften zu Bewässerungs-
anlagen betreffen, und welche durch das Gesetz v. 11. Mai 18532 auch auf Genossenschaften zu
Entwässerungsanlagen ausgedehnt wurden, sind durch die königl. Verordnung v. 28. Mai 1867
auch in den im Jahre 1866 neu erworbenen Landesteilen eingeführt worden. Diese Vorschriften
haben sich jedoch als unzureichend und nicht in allen Beziehungen als zweckmäßig erwiesen. Die
Gesetzgebung hatte nur solche Genossenschaften im Auge, denen eine öffentlich-rechtliche Stellung ge-
währt werden soll und für die daher bei ihrer Bildung und bei der Verfolgung ihrer Zwecke eine
Mitwirkung der Staatsgewalt eintreten muß. Der freien, lediglich auf Vertrag beruhenden genossen-
schaftlichen Vereinigung von Grundbesitzern zur gemeinschaftlichen Ausführung wasserwirtschaftlicher
Unternehmungen war in der bisherigen Gesetzgebung nicht gedacht. Um ihnen Eingang zu ver-
schaffen, war die gesetzliche Regelung ihrer privatrechtlichen Stellung und ihrer Gesamtrechtsverhält-
nisse unentbehrlich. Die bisherigen gesetzlichen Vorschriften beschränkten sich ferner lediglich auf
solche öffentliche Genossenschaften, deren Zweck die Ausführung von Anlagen zur Ent= oder Be-
wässerung von Grundstücken ist. Die Bildung der für das Landeskulturinteresse gleich wichtigen
Genossenschaften zur Unterhaltung (Räumung) der Gewässer, zum Schutze des Ufers gegen Abbruch
oder Versandung, sowie zur Anlegung und Verbesserung von Wasserstraßen und andern Schiffahrts-
anlagen war ausgeschlossen, es sei denn, daß durch derartige Anlagen zugleich eine Ent= oder Be-
wässerung begründet wird. Zur Abhilfe der hiernach bestehenden Mängel der wasserrechtlichen Gesetz-
gebung ist das Gesetz v. 1. April 1879 betreffend die Bildung von Wassergenossenschaften ergangen.
Danach können Genossenschaften zur Benutzung und Unterhaltung von Gewässern, zur Ent= und
Bewässerung von Grundstücken, zum Schutze der Ufer, zur Anlegung, Benutzung oder Unterhaltung
von Wasserläufen oder Sammelbecken, zur Herstellung und Verbesserung von Wasserstraßen (Flöße-
reien) und andern Schiffahrtsanlagen gebildet werden (§. 1 des Gesetzes). Dagegen findet das Gesetz
auf das Deichwesen und solche Entwässerungsanlagen, die von Deichverbänden als Zubehör von
Deichen ausgeführt werden, keine Anwendung (§. 2). Den Vorschriften des im übrigen für die
ganze Monarchie erlassenen Gesetzes waren, soweit es sich um die Errichtung neuer oder die Ver-
hältnisse bestehender Genossenschaften zur Ent= oder Bewässerung von Grundstücken handelt, a) der
Kreis Siegen, b) die Herzogtümer Bremen und Verden, soweit die Deichordnung v. 29. Juli 1743
Anwendung fand, c) das Land Hadeln, d) das Fürstentum Lüneburg und die zur Provinz Han-
nover gehörigen lauenburgischen Anteile, soweit die lüneburgische Deich= und Sielordnung v. 15. April
1862 Anwendung fand, e) die Grafschaften Hoya und Diepholz, soweit die Deich= und Abwässe-
rungsordnung v. 22. Jan. 1864 Anwendung fand, f) das Fürstentum Ostfriesland und die Stadt
1 Bei diesem Verfahren werden a) Streitig= und b) nur Streitigkeiten über den Entschädi-
keiten über die Zulässigkeit, über die Aärt und gungsbetrag in zweiter Instanz von dem Re-
das Maß der im Interesse der Landeskultur und visionskollegium für Landeskultursachen (88§. 47,
zur klbeinhrung der ken serungsanlenen nö--- 48) entschieden.
tigen Einschränkungen der Rechte anderer und 2
Expropriationen, sowie über Entschädigungen, 66. S. 1853, S. 182.
von der Regierung (als. Landeskulturbehörde), 3 G. S. 1867, S. 769.