256 Unterrichtswesen. (8. 134.)
wurde der Gegenstand durch die Kabinettsorder v. 10. Juni 1834 betreffend die Auf—
sicht des Staates über Privatanstalten und Privatpersonen, die sich mit dem Unterrichte
und der Erziehung der Jugend beschäftigen 1, anderweitig gesetzlich geordnet. Die oben
gedachten Bestimmungen des Gewerbepolizeigesetzes v. 7. Sept. 1811 wurden, soweit sie
die landrechtlichen Vorschriften abänderten, wieder aufgehoben; es wurde das Erfordernis
der nachzuweisenden Qualifikation für diejenigen Personen, welche Privatschulen und
Pensionsanstalten errichten oder ein Gewerbe daraus machen, Lehrstunden in den Häusern
zu geben, gemäß den 8§. 3 und 8 des Allgemeinen Landrechts II, 12 wieder hergestellt,
zugleich aber festgesetzt, daß ohne das Zeugnis der örtlichen Aufsichtsbehörde keine Schul-
und Erziehungsanstalt errichtet und niemand zur gewerbemäßigen Erteilung von Lehr-
stunden zugelassen werden dürfe. Diese Zeugnisse sollen sich nicht auf die Tüchtigkeit
zur Unterrichtserteilung in Beziehung auf Keuntnisse beschränken, sondern sich auf Sitt-
lichkeit und Lauterkeit der Gesinnungen in religiöser und politischer Hinsicht erstrecken. 5
Schließlich ist den Ministerien der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten und des
Innern der Erlaß einer hiernach den Lokalbehörden zu erteilenden Instruktion übertragen
worden." Diese Instruktion ist am 31. Dez. 1839 vom Staatsministerium erlassen
worden.5 Sie bildet (neben der Kab. O. v. 10. Juni 1834) für die älteren preußischen.
Provinzen die Quelle des geltenden Rechts des Privatunterrichtswesens.
Sie handelt in
drei Abschnitten von a) den Privatschulen und Privaterziehungsanstalten, b) den Privat-
lehrern, c) den Hauslehrern, Erziehern und Erzieherinnen.
1. die Privatschulen und Privaterziehungsanstalten betrifft, so
Was:
sollen
solche nur da zulässig sein, wo sie einem wirklichen Bedürfnisse entsprechen, also nur an
solchen Orten gestattet werden, wo für den Unterricht der schulpflichtigen Jugend durch
die öffentlichen Schulen nicht ausreichend gesorgt ist (§. 10).7
Die Erfordernisse zur
1 G. S. 1834, S. 135.
2 lber die Befeitigung des Erfordernisses des
Nachweises der Lauterkeit der Gesinnungen in
religiöser und politischer Beziehung durch den
Art. 22 der Verf. Urk. vgl. den Ber. der Petitions-
komm. des A. H. v. 8. Dez. 1863, zu B (Stenogr.
Ber. des A. H. 1863—64, Anl. Bd. III, S. 205
—207, Nr. 44) und die Verhandl. in der Sitz.
v. 5. Jan. 1864 (Stenogr. Ber. des A. H. 1863
—64, Bd. II, S. 592—599). Das Min. d.
geistl. Ang., welches die fortbestehende Geltung
der gedachten Bestimmung der Kab. O. v. 10. Juni
1834 behauptete, erklärte im Jahre 1869, jene
erst nach dem Zustandekommen des unterrichts=
gesetzes aufheben zu wollen (vgl. die Motive zu
den §§. 133—140 des Entw. des Unterrichtsges.,
Drucks. des A. H. 1869—70, Nr. 75, S. 104
und Stenogr. Ber. 1869—70, Anl. Bd., S. 450,
Nr. 75).
3 Für Ausländer sollten nur die Min. d.
geistl. und Unterr. Ang. und des Inn. die Ge-
nehmigung zur Ausstellung solcher Zeugnisse er-
teilen dürfen.
4 Die Vorschriften der Kab. O. v. 10. Juni
1834 und der Instr. v. 31. Dez. 1839 können
selbstverständlich nur auf diejenigen Landesteile
Anwendung finden, welche zur Zeit ihres Erlasses
den preuß. Staat bildeten; dagegen kommen in
den 1866 neuerworbenen Landesteilen die für
diese ergangenen einschlägigen Vorschriften zur
Anwendung. Vgl. für Kurhessen das Ausschreiben
des Kurfürstl. Staatsmin. v. 15. Nov. 1827 (G.
S. für Kurhessen 1827, S. 53); für Hannover
das Ges. v. 26. Mai 1845 betr. das christl. Volks-
schulwesen (allgemeine Bestimmungen 8 6—8)
(G. S. für Hannover 1845, Abt. I, S. 465);
für Nassau die Dienstinstr. v. 24. März 1817 für
die Herzogl. Schulinspektoren, §. 33 (Samml. der
Landesherrl. Edikte u. Verordn. des Herzogtums
Nassau, Bd. III, S. 320). Vgl. v. Bremen,
Die Volksschule, preuß. Gesetze und Verordnungen,
1905, S. 723f.
5 Diese Instruktion ist durch Runderlaß des
Min. d. geistl. und Unterr. Ang. und des Inn.
u. d. P. v. 18. März 1840 veröffentlicht und mittels
Kab. O. v. 24. Nov. 1839 vom Könige genehmigt
worden (M. Bl. d. i. Verw. 1840, S. 94 ff.). Die
allgem. Gewerbeordn. v. 17. Jan. 1845 F. 43
(G. S. 1845, S. 41) verweist darauf als
fernerhin maßgebend. Die Reichsgewerbeordn.
v. 21. Juni 1869 (B. G. Bl. 1869, S. 245) hat
über das Unterrichtswesen keine Anordnungen
getroffen (§. 6). Vgl. Anschütz a. a. O., S. 397.
Die Instr. v. 31. Dez. 1839 bezieht sich nicht auf
den Privatunterricht an Erwachsene, sondern
lediglich auf den Privatunterricht für die Jugend.
Die Erteilung von Privatunterricht an Erwachsene
darf nicht von einer polizeilichen Erlaubnis ab-
hängig gemacht und der Betrieb dieses Gewerbes
nicht wegen mangelnder sittlicher Qualifikation
untersagt werden. Erl. des Min. d. geistl. und
Unterr. Ang. u. des Inn. v. 27. Febr. 1862, M.
Bl. d. i. Verw. 1862, S. 114, Nr. 76. Entsch. des
O. V. G., Bd. 22, S. 402. Anschütz a. a. O.,
S. 395.
6 Uber die Lehrerqualifikation der Hausväter
in Rettungshäusern vgl. den Min. Erl. v. 14. Sept.
1863 (M. Bl. d. i. Verw. 1863, S. 190).
* Wo durch öffentliche Schulen für den
Unterricht der schulpflichtigen Jugend nicht ge-
hörig Vorsorge getroffen ist, kann zwar die Er-
richtung von Privatschulen gestattet werden; hier-