264 Unterrichtswesen. (8. 136.)
2. Die in Art. 25, Abs. 3 der Verfassungsurkunde verheißene unentgeltliche Er—
teilung des Unterrichtes in der öffentlichen Volksschule brachte das die Aufhebung des
Schulgeldes anordnende Gesetz betreffend die Erleichterung der Volksschullasten v. 14. Juni
1888 1 nebst Ergänzungsgesetz v. 31. März 1889 zur Durchführung. Seit dem
letzteren Gesetz ist die Entrichtung von Schulgeld für solche Kinder, welche innerhalb
des Bezirks der von ihnen besuchten Schulen einheimisch sind, allmählich fortgefallen und
es besteht nur noch das sog. Fremdenschulgeld weiter. Nach dem V. U. G. sind die
Schulverbände nur noch für den Besuch ihrer Schulen durch nicht einheimische Kinder
(§. 6, Abs. 2) Schulgeld zu erheben berechtigt. Die Feststellung der Schulgeldsätze
unterliegt der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde (§. 6, Abs. 1, 3).3
3. Die im zweiten Absatze des Art. 25 der Verfassungsurkunde den Volksschul-
lehrern erteilte Verheißung des Staates auf ein festes, den Lokalverhältnissen ange-
messenes Einkommen ist durch Gesetz betreffend das Diensteinkommen der Lehrer usw. v.
3. März 1897 erfüllt worden, an dessen Stelle das neue Gesetz über das Dienst-
einkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen v. 26. Mai 1909
getreten ist. Dieses Gesetz schreibt für die Hauptbestandteile der Lehrerbesoldung —
Grundgehalt und Alterszulagen — feste, für den ganzen Staat maßgebende Sätze vor.
Das Ruhegehaltswesen regeln das Gesetz betreffend die Pensionierung der Lehrer und
Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen v. 6. Juli 1885 mit Novelle v. 10. Juni
1907 sowie das Gesetz betreffend Ruhegehaltskassen für die Lehrer usw. v. 23. Juli
1893, die Hinterbliebenenversorgung das Gesetz betreffend die Fürsorge für die Witwen
und Waisen der Lehrer usw. v. 4. Dez. 1899.4
S. 136.
V. Unterrichtszwang.
Die Verfassungsurkunde geht von dem Grundsatz aus, daß der Staat wesentlich
dabei interessiert sei, daß die gesamte Jugend diejenige allgemeine Geistes= und sittliche
Bildung erlange, welche sie zu verständigen und tugendhaften Staatsbürgern befähigt
und durch deren Besitz die zweckmäßige Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte der
Staatsangehörigen bedingt wird. Deshalb spricht sie den Grundsatz der Verpflichtung
der Staatsangehörigen aus, durch Benutzung der öffentlichen Unterrichtsanstalten
oder anderweitig sich diejenige Bildung zu verschaffen, die der Staat zu seinem Bestehen
von ihnen zu fordern berechtigt ist." Der zweite Satz des Art. 21 der Verfassungs-
gedachten Befugnis und ihrer Anwendung, sowie
darüber, wieweit der Rechtsweg hierbei zulässig
sei, einzuhaltenden Gesichtspunkte sind in dem Erk.
des Kompetenz-Gerichtshofes v. 14. Okt. 1865
(Just. Min. Bl. 1865, S. 275, M. Bl. d. i. Verw.
1865, S. 300) näher entwickelt.
Wenn bisher die Erhebung eines Schulgeldes
stattgefunden hat, so kann die Schulgemeinde dessen.
Fortbestehen beschließen, ohne daß ein Mitglied
der Schulgemeinde auf Grund des §. 32 A. L. R.
II, 12, Freilassung von den Schulgeldabgaben in
Anspruch zu nehmen berechtigt ist (Min. Erl. v.
17. März 1869, M. Bl. d. i. Verw. 1869, S. 122).
1 G. S. 1888, S. 240. ,
2 Anschütz a. a. O., S. 485—487. Uber das
bisherige Recht vgl. v. Rönne in der 4. Aufll.,
Bd. II, S. 466. (Die Bestimmungen des A. L. R.,
II, 12, §§. 29—32, wonach die Beiträge zur
Unterhaltung der Volksschullehrer von der ganzen
Schulgemeinde eingezogen werden und sodann die
Kinder der Kontribuenten gegen Erlegung dieser
Beiträge von der Entrichtung eines Schulgeldes
für immer frei sein sollten, waren meistenteils
nicht zur Ausführung gelangt, sondern die Kosten
der Unterhaltung der Volksschullehrer entweder
durch Erhebung eines Schulgeldes von denjenigen,
welche die Schule für ihre Kinder benutzten, oder
durch fixierte Schulbeiträge, welche teils als eine
selbständige Auflage, teils als Zuschlag zu Staats-
steuern von der ganzen Schulgemeinde eingezogen
wurden, aufgebracht worden.
3 Reg. Instr. v. 23. Okt. 1817 (G. S. 1817,
S. 248), §. 17 zu f. »
4 Anschütz a. a. O., S. 474, 483—485. Uber
das frühere Recht vgl. v. Rönne in der 4. Aufl.,
Bd. II, S. 467 f.
5 Anschütz, Verf. Urk., Bd. 1, S. 383—390;
v. Bremen, Die preuß. Volksschule, 1905, S.
588 ff.; Hildebrandt-Quehl, Verordnungen
betr. das Volksschulwesen in Preußen, 1908,
S. 626ff.; Nachtrag 1910, S. 199ff.
6 Vgl. die angeführten amtl. Erläuter. S. 17