Organisation und Beaufsichtigung.
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kirchliche Aufsicht über die öffentliche Volksschule ausdrücklich auszuschließen, da eine
solche bis jetzt gesetzlich nicht bestanden habe,
wohl aber der Kirche das Aussichtsrecht
über den auch in der Volksschule zu erteilenden Religionsunterricht stets unbezweifelt
zugestanden habe. 1
des Art. 24 festgesetzt,
Unterricht in der Volksschule leiten“.2
Mit Rücksicht hierauf hat die Verfassungsurkunde im zweiten Absatze
daß „die betreffenden Religionsgesellschaften den religiösen
1 Die Aufsicht über den Religionsunter-
richt in der Schule ist der Kirche niemals be-
stritten worden. Abgesehen indes hiervon und
von der in einzelnen Gegenden wohl in Anspruch
genommenen, von der andern Seite aber bestrittenen
bischöflichen Aufsicht über römisch-katholische
Schulen überhaupt sind die Schulen im preuß.
Staate schon nach der bisherigen Gesetzgebung
Staatsanstalten gewesen und es hat eine
selbständige Aufsicht der Kirche über die-
selben nicht stattgefunden.
bisher sein nächstes Aufsichtsrecht über die Schulen
auch kirchlichen Organen, nämlich den Super-
intendenten, Erzpriestern und Dechanten, über-
tragen: diese sind jedoch in dieser Eigenschaft
Organe nicht der Kirche, sondern des Staates,
welcher durch diese Maßregel nur die Notwendig-
keit anerkannt und seine Bereitwilligkeit an den
Tag gelegt hat, dem religiösen Leben, wie es sich
in der Kirche ausgebildet hat, einen wohltätigen
Einfluß auf die Volksschule im ganzen zu ge-
statten. (Vgl. die amtl. Erläuter. des Min.
v. Ladenberg, S. 28—29 und seine Bemer-
kungen in den Stenogr. Ber. der 2. K. 1849—50,
Bd. III, S. 1233, und der 1. K., Bd. III, S. 1054
—1055.)
2 Weder der Entwurf der Verf. Urk. v. 20. Mai
1848 noch der Entw. der Verf. Komm. der Nat.
Vers. enthielt eine diesem Satze entsprechende Be-
stimmung. Erst der Zentralausschuß der Nat.
Vers. griff den Punkt auf; derselbe hatte (im
Art. 23 seines Verf. Entw.) vorgeschlagen, zu
bestimmen: „Den religiösen Unterricht in der
Volksschule besorgen und überwachen die betreffen-
den Religionsgesellschaften.“ Diesen Satz nahm
dann die oktroy. Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848 als
Art. 21, Abs. 2 auf. Bei der Revision der letzteren
wurde indes beschlossen, statt der Worte: „be-
sorgen und überwachen“ zu setzen: „leiten“ (vgl.
das nähere bei v. Rönne, Verf. Urk., S. 54—
57, und in der Rede des Staatsmin. Falk v.
24. Jan.1877 in den Stenogr. Ber. des A. H. 1877,
Bd. I, S. 84—85). Diese Fassung hatte auch
der Min. d. geistl. Ang. (v. Ladenberg) befür-
wortet, indem er bemerkte, daß die (in dem Art. 21,
Abs. 2 der oktroy. Verf. v. 5. Dez. 1848 gebrauchten)
Ausdrücke „besorgen und überwachen“ sehr viel-
deutig seien, während die „Leitung“ alles in sich
schließe, was in dieser Beziehung von den Reli-
gionsgesellschaften gewünscht werden könne, indem
sie sowohl befugt seien, die Oberleitung zu er-
wählen, als auch unter Umständen diese Leitung
auf ein eigenes Besorgen auszudehnen; letzterer
Fall werde in der Regel eintreten, da in den
Schulen, welche bereits als konfessionelle beständen
(was die Mehrzahl sei) der Lehrer immer der-
jenige sein werde, der den Unterricht besorge
(Stenogr. Ber. der 2. K. 1849—50, Bd. III, S.
1233). In den amtl. Erläuter, des Min. v. Laden-
berg aber heißt es: „Aus dem Ausdrucke „be-
sorgen“ darf keineswegs einseitig gefolgert werden,
daß den Lehrern der öffentl. Schulen der Reli-
gionsunterricht auch ihrer Konfessionsverwandten,
und damit eins der auf die gesamte Jugendbildung
einflußreichsten Unterrichtsfächer entzogen werden
könnte. Der Staat muß dann, wenn er den Reli-
gionsgesellschaften die Besorgung oder Organi-
sation und die Beaufsichtigung des Religions-=
unterrichtes in der öffentlichen Volksschule über-
Der Staat hat zwar
läßt, und noch mehr, wenn den Gemeinden die
Wahl der Lehrer freisteht, wobei auch deren reli-
giöse Richtung und Befähigung zum Religions-
unterrichte berücksichtigt werden könne, auch vor-
aussetzen, daß der unter diesen Verhältnissen und
von diesem Lehrer erteilte Religionsunterricht der
betreffenden Religionsgesellschaft genüge. Nur
dann, wenn Religionsgesellschaften, welche in
einer Schule die Minderheit bilden, ihre Kinder
nicht dem Religionsunterrichte eines Lehrers
anderer Konfession anvertrauen wollen, wird der
Fall eintreten, daß diese durch übertragung an
ein anderes geeignetes und gqualifiziertes Indivi-
duum für die Erteilung des Religionsunterrichtes
zu sorgen haben. Die näheren Bestimmungen
über diese Ausnahmefälle werden aber in dem
Unterrichtsgesetze zu treffen sein.“ Bei der Re-
vision des in Rede stehenden Satzes der oktroy.
Verf. Urk. erklärte der Bericht des Zentralaussch.
der 1. K. (Stenogr. Ber. der 1. K. 1849, S. 1959),
daß die Fassung undeutlich erscheine, indem es
ungewiß sei, wer die Organe seien, welche an
der Leitung teilnehmen sollen, und weil die
Fassung den Religionsgesellschaften die Leitung
des Religionsunterrichtes nicht ganz gebe und
ihnen anscheinend einen Teil an der ganzen Rege-
lung des Unterrichtes gebe, was in das von der
Verfassung angenommene System nicht passe. —
Der Min. Falk hat dann (in der oben gedachten
Rede v. 24. Jan. 1877) aus den vorstehenden
Erklärungen und den Verhandlungen beider
Kammern dargelegt, daß über die Bedeutung des
„Leitens“ keine Klarheit bei den damaligen Fak-
toren bestanden habe, und daß man eben nur
einen abstrakten Satz habe aufstellen wollen, der
sein Leben erst durch das zu eerlassende Unter-
richtsgesetz bekommen sollte. lbrigens hob der
Min. Falk (vgl. Stenogr. Ber. des A. H. 1877,
Bd. 1I, S. 83, Spalte 2) hierbei auch mit Recht
hervor, daß der Art. 24 der Verf. Urk. — mit
Rücksicht auf die Art. 26 u. 112 — nicht aktnel-
les Recht sei, und in dem Min. Erl. v. 18. Febr.
1876 (M. Bl. d. i. Verw. 1876, S. 68 ff.) wird in
dieser Beziehung (unter Ziffer 7) bemerkt, daß die
Leitung des Religionsunterrichtes nach Art. 24
der Verf. Urk. den Religionsgesellschaften zustehen.
solle, daß jedoch einerseits dieser Artikel erst der
näheren Bestimmung seines Inhaltes durch das
nach Art. 26 zu erlassende Unterrichtsgesetz be-