Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

270 Unterrichtswesen. (8. 137.) 
Die Bestimmungen der Verfassungsurkunde über die Beaufsichtigung der öffentlichen 
und Privat-Unterrichts- und Erziehungsanstalten haben es grundsätzlich bei dem in dieser 
Beziehung bereits vor Erlaß der Verfassungsurkunde bestandenen Rechtszustande belassen 
und die näheren Anordnungen über die Einrichtung der Schul= und Unterrichtsaufsichts- 
behörden dem in Art. 26 vorgesehenen Unterrichtsgesetze vorbehalten, bis zu dessen Erlaß 
es zunächst bei den Vorschriften der bisherigen Gesetze über den Gegenstand bewenden 
sollte. Nach den hierüber vor Erlaß der Verfassungsurkunde ergangenen Gesetzen und 
Verordnungen steht aber, ebenso wie es die Verfassungsurkunde ausspricht, das gesamte 
öffentliche und Privat-Unterrichts= und Erziehungswesen unter der Aufsicht des Staates. 
Das Allgemeine Landrecht hat nämlich die Schulen und Universitäten für Veranstaltungen 
des Staates erklärt 1 und ausdrücklich bestimmt, daß alle öffentlichen Schulanstalten 
unter Aufsicht? des Staates stehen 3, wie denn auch alle Privaterziehungsanstalten 
gleicher Aufsicht unterworfen sind." Die oberste Aufsicht über das gesamte Unterrichts- 
wesen findet ihren Mittelpunkt im Ministerium der geistlichen und Unterrichtsan- 
gelegenheiten 5; nur die Aufsicht über den evangelischen Religionsunterricht ist später 
dem evangelischen Oberkirchenrat zugewiesen worden. Die obere Leitung der Angelegen- 
heiten des öffentlichen Unterrichts in den Provinzen gehört zur Wirksamkeit der Ober- 
präsidenten?, welche in dieser Eigenschaft den Vorsitz im Provinzialschulkollegium 3 
führen.? Unter letzterem steht das höhere Schulwesen. Die Volks-, sonstigen niederen 
und Privatschulen stehen unter Aufsicht und Verwaltung der Regierungen; den Provinzial- 
schulkollegien steht hier nur die obere Leitung in wissenschaftlicher Hinsicht und in Be- 
ziehung auf die innere Verfassung, sowie die Sorge für die Ausbildung der Elementar- 
lehrer sowie die Prüfung pro facultate docendi bei den höheren Schulen zu. Die 
Verwaltung der äußeren Angelegenheiten der Schulen aller Konfessionen, insbesondere 
die Aufsicht über die Verwaltung des Schulvermögens, gebührt den Regierungen; doch 
ist die gesamte Vermögensverwaltung und das Kassen= und Rechnungswesen der höheren 
Schulen und Schullehrerseminare, sowie der mit den vorgenannten Instituten in un- 
mittelbarer Verbindung stehenden Erziehungs= und Unterrichtsanstalten den Provinzial- 
schulkollegien überwiesen, welchen auch die Verwaltung der bei diesen Instituten befind- 
lichen Stipendienfonds und des königlichen Kollaturrechtes gebührt. 10 In allen diesen 
Angelegenheiten kommt es bezüglich der Zuständigkeit der Regierungen und Provinzial- 
schulkollegien auf die Verschiedenheit der Konfession nicht an; indes sollen die Regie- 
rungen bei Ausübung ihrer Kompetenz den Einfluß stets berücksichtigen, welcher bei den 
  
dürfe, daß indes andererseits nichts im Wege 
stehe, die darin enthaltene allgemeine Norm in- 
soweit zur Anwendung zu bringen, als dies die 
bestehenden Gesetze und die staatlichen Interessen 
gestatten. In letzterer Beziehung hat sodann der 
Erl. v. 18. Febr. 1876 die näheren Bestimmungen 
getroffen. Anschütz a. a. O., S. 431 ff. 
1 A. L. R., II, 12, § 1. 
2 Uber die rechtliche Natur dieser „Aufsicht" 
vgl. die vortrefflichen Ausführungen bei Anschütz 
a. a. O., S. 409 ff. 
3 A. L. R., II, 12, §§. 9, 56. 
4 Ebenda §§. 3—5. Zum folgenden Born- 
hak, Pr. St. R. 2, Bd. III, S. 736ff. 
5 Verordn. v. 3. Nov. 1817 (G. S. 1817, S. 
289). Die Verordn. v. 13. Mai 18671(G. S. 1867, 
S. 66 hat auch für die im J.1866 neuerworbenen 
Landesteile dem Min. d. geistl. und Unterr. Ang. 
die Oberaufsicht über das gesamte Unterrichts- 
wesen übertragen. 
6 Ressortreglement für die evang. Kirchenver- 
waltung v. 29. Juni 1850, §. 1, Nr. 2 (G. S. 
1850, S. 344). 
*Verordn. v. 30. April 1815, §. 2, Nr. 5 (G. 
S. 1815, S. 85), Instr. v. 23. Okt. 1817, 8§. 6 
  
—8, 10—15 (G. S. 1817, S. 237), Kab. O. v. 
31. Dez. 1825, zu B, 1, 9 (G. S. 1826, S. 5). 
s Auch für die im J. 1866 neuerworbenen 
Landesteile sind Provinzialschulkollegien (mit dem 
Amtssitze in Kiel, Hannover und Kassel) mit 
gleicher Kompetenz, wie diejenigen in den älteren 
Teilen der Monarchie, errichtet worden (Verordn. v. 
22. Sept. 1867, G. S. 1867, S. 1570). Bezüg- 
lich des Kreises Herzogtum Lauenburg vgl. §. 5 
des Ges. v. 23. Juni 1876 (G. S. 1876, S. 
170). 
* Dienstinstr. für die Oberpräsidenten v. 31. Dez. 
1825, §. 3 (G. S. 1826, S. 1). Auch in der 
Provinz Hessen-Nassau (Allerh. Erlaß v. 7. Dez. 
1868, G. S. 1868, S. 1056) gelten diese Be- 
stimmungen (V. v. 22. Febr. 1867, 8. 10, G. S. 
1867, S. 277), ebenso in der Provinz Schleswig- 
Holstein (Allerh. Erlaß v. 20. Juni 1868, G. S. 
1868, S. 620) und in der Provinz Hannover 
(Allerh. Order v. 16. Sept. 1867, Min. Bl. d. i. 
Verw. 1867, S. 359, Nr. 283). 
1° Geschäftsinstr. für die Regierungen v. 23.Okt. 
1817, §. 18, vom gleichen Tage für die Kon- 
sistorien, s8. 6—9, Kab. O. v. 31. Dez. 1825, 
zu B (G. S. 1826, S. 5), Allerh. Erlaß v. 26. Aug. 
1859 (G. S. 1859, S. 535).
	        
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