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römisch-katholischen Schulsachen dem Bischofe gesetz= und verfassungsmäßig zusteht.“
Ebenso bleibt für die den Provinzialschulkollegien zugewiesenen Angelegenheiten des römisch-
katholischen Erziehungs= und Unterrichtswesens den katholischen Bischöfen ihr gesetz= und
verfassungsmäßiger Einfluß auf den Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen und
auf die Anstellung der besonderen Religionslehrer, wo dergleichen vorhanden sind, vor-
behalten.? — Die nächste Aufsicht über die Volksschulen wird dagegen durch für sie
besonders bestimmte Behörden geführt. Dies sind teils Lokalbehörden — die nebenamt-
lichen Ortsschulinspektoren, teils Behörden, welche die Schulen eines Sprengels zu be-
aufsichtigen haben: die haupt= oder nebenamtlichen Kreisschulinspektoren. Neben diesen
Behörden haben die Magistrate, Bürgermeister, Landräte, Seminardirektoren zur Beauf-
sichtigung der Volksschule mitzuwirken. Die höheren Schulen stehen unmittelbar unter
der Aufsicht der Provinzialschulkollegien und Regierungen, welche diese Aufsicht, wo es
erforderlich, durch besondere Kommissare ausüben. Neben und unter diesen Behörden
haben die Patrone, Kuratorien und die Direktoren der einzelnen Anstalten mitzuwirken;
auch konkurrieren hinsichtlich des Religionsunterrichts die geistlichen Behörden."
Dieser Stand der Gesetzgebung entspricht, was die niederen Schulen anlangt,
nicht der zur Ausführung des Art. 23 der Verfassungsurkunde notwendigen Anforderung,
daß es dem Staate freistehen muß, die Organe für die Schulaussicht zu bestellen, ohne
an einschränkende Vorschriften gebunden zu sein. Sowohl das Allgemeine Landrecht
(Tl. II, Tit. 12, §§. 12 f.), als auch die Provinzialgesetze gaben den Ortsgeistlichen
und in weiteren Kreisen den Superintendenten, Erzpriestern, Dekanen usw. neben der
Pflicht auch das Recht zur Beaufsichtigung der niederen Schulen als Lokal= und Kreis-
schulinspektoren. Der Staat muß aber, um seine Aufgabe an der Schule lösen zu
können, die Macht haben, nicht bloß auf der Stufe der Kreisschulinspektion, sondern
auch schon auf der der Lokalinspektion mit Organen seiner eigenen freien Wahl eintreten
zu können, ohne an die Wahl kirchlicher Oberen gebunden zu sein. Daher ist durch
das für den Umfang der Monarchie erlassene 3 Gesetz v. 11. März 1872 betreffend die
Beaufsichtigung des Unterrichts= und Erziehungswesens bestimmt worden: a) daß unter
Aufhebung aller in einzelnen Landesteilen entgegenstehenden Bestimmungen die Ausfsicht
über alle öffentlichen und Privatunterrichts= und Erziehungsanstalten dem Staate zusteht
und demgemäß alle mit dieser Aufsicht betrauten Behörden und Beamten im Auftrage
des Staates handeln (§. 1); b) daß die Ernennung der Orts= und Kreisschulinspektoren
und die Abgrenzung ihrer Aufsichtsbezirke allein dem Staate gebührt, daß der vom
Staate den Inspektoren der Volksschule erteilte Auftrag, sofern sie dies Amt als Neben-
oder Ehrenamt verwalten, jederzeit widerruflich ist, und daß alle entgegenstehenden Be-
stimmungen aufgehoben sind (§. 2); c) daß die den Gemeinden und ihren Organen zu-
stehende Teilnahme an der Schulaufsicht sowie der Art. 24 der Verfassungsurkunde v.
31. Jan. 1850 durch dieses Gesetz unberührt bleiben (8. 3).7
Organisation und Beaufsichtigung.
1 Geschäftsinstr. für die Regierungen v. 13. Okt.
1817, §. 18, Abs. 2 (G. S. 1817, S. 260).
2 Geschäftsinstr. für die Konsistorien v. 23. Okt.
1817, §. 8 (G. S. 1817, S. 237).
: Das A. L. R., welches in Teil II, Titel 12,
§§. 12—17, 27 von der Aufsicht und Direktion
über die Volksschule und deren Lehrer, in den
§§. 47, 48 von den Pflichten der Schulaufseher,
im §. 49 von den Pflichten des Predigers spricht,
enthält noch keine bestimmte Gliederung dieser
Aufsichtsbehörden; es überträgt die örtliche Beauf-
sichtigung der Volksschule als Nebenamt den
Kirchenvorstehern, oder Schulzen und Gerichten,
Polizeimagistraten unter Direktion der Obrigkeit
und der Geistlichen.
4 Vgl. A. L. R., II, 12, §§. 55, 56, 61.
5 In dem Kreise Herzogtum Lauenburg ist
dieses Gesetz durch den §. 5, Ziffer 1 des Ges.
v. 25. Febr. 1878 (G. S. 1878, S. 100) einge-
führt worden.
6 Vgl. G. S. 1872, S. 183 und den Entwurf
dieses Gesetzes (nebst Motiven) in den Stenogr.
Ber. des A. H. 1871—72, Anl. Bd. 1, Aktenst.
Nr. 52, S. 270 ff., sowie die Verhandl. darüber
in den Sitz. des A. H. v. 14. Dez. 1871 (Stenogr.
Ber. 1871—72, Bd. I, S. 114) und v. 8., 9.,
10. und 13. Febr. 1872 (a. a. O., Bd. II, S.
654— 757), ferner den Ber. der 9. Komm. des
H. H. v. 26. Febr. 1872 (Stenogr. Ber. des H. H.
1871—172, Bd. II, Aktenst. Nr. 63, S. 444 ff.)
und die Verhandl. darüber in den Sitz. v. 6., 7.
und 8. März 1872 (Stenogr. Ber. des H. H. 1871
—72, Bd. L, S. 185—256.) — Zur Ausführung
des Ges. v. 11. März 1872 sind die Min. Erl.
v. 13. März und 16. April 1872 (M. Bl. d. i. Verw.
1872, S. 130 u. 163) ergangen.
' Anschütz a. a. O. S. 405 ff. Weitere, die
Staatsaufsicht über das Schulwesen regelnde ge-
setzliche Vorschriften sind nicht erlassen worden.
Prinzipiell belanglose Anderungen in Einzel-