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17. Lebensjahr vollendet und darf das 24. noch nicht überschritten haben; doch kann
die Zulassung eines älteren Aspiranten vom Provinzialschulkollegium genehmigt werden,
wenn sie in Rücksicht auf seine Persönlichkeit und seine bisherigen Lebensverhältnisse un-
bedenklich ist (§. 4).1
5. Die für die Aufnahme in das Seminar geeignet befundenen Aspiranten werden
einer ärztlichen Untersuchung durch den Anstaltsarzt unterworfen, von deren Ergebnis
die schließliche Entscheidung abhängt (8. 5).
6. Die Prüfung wird von dem Seminarlehrerkollegium unter Vorsitz eines Kom-
missars des Provinzialschulkollegiums abgehalten. Den Kreisschulinspektoren und den
Präparandenbildnern des Bezirkes ist es gestattet, der Prüfung beizuwohnen (§. 6).
7. Die Prüfung ist eine schriftliche und eine mündliche. In der schriftlichen
Prüfung hat der Examinand über ein aus seinem Anschauungskreise gewähltes Thema eine
kleine Ausarbeitung zu fertigen und eine Anzahl von Fragen aus dem Gebiete der ver-
schiedenen Prüfungsgegenstände zu beantworten.? Die mündliche Prüfung verbreitet sich
über sämtliche obligatorische Lehrgegenstände des Seminarunterrichtes, nämlich: Religion,
Deutsch, Französisch oder Englisch, Geschichte, Mathematik (Rechnen und Raumlehre),
Naturkunde, Erdkunde, Schreiben, Zeichnen, Turnen, Musik. Ausgeschlossen von der
Prüfung ist die Schulkunde (8. 7).
Nach dem Bestehen der Prüfung erfolgt die Aufnahme in das Seminar.
II. Was den Unterricht im Seminar betrifft, so ist nach der jetzt maßgeben-
den Lehrordnung v. 1. Juli 1901 bzw. 15. Okt. 1872 jedes Schullehrerseminar mit
einer mehrklassigen und einer einklassigen Übungsschule organisch zu verbinden (§. 1 der
Lehrordnung). Die Arbeit in der Übungsschule wird unter der Aufsicht des Seminar-
direktors durch einen besonderen Lehrer als Ordinarius derselben geleitet; diese Funktion
ist möglichst einem ordentlichen Seminarlehrer zu übertragen; in jedem Falle aber ist
der Ordinarius der Ubungsschule Mitglied des Seminarlehrerschulkollegiums (§. 2).
Der Unterrichtskursus im Seminare dauert drei Jahre (§. 3). Der Unterricht wird in
drei Klassen erteilt. Der Unterricht, welchen die Seminaristen empfangen, soll in seiner
Form ein Muster desjenigen sein, welchen sie als Lehrer später zu erteilen haben wer-
den (§. 10).
Der Unterricht im Seminar ist frei, er wird nach einem bestimmten Lehrplan er-
teilt. Lehrfächer sind: Pädagogik, Religion, Deutsch, Französisch oder Englisch, Geschichte,
Mathematik (Rechnen und Raumlehre), Naturkunde, Erdkunde, Zeichnen, Turnen, Musik,
landwirtschaftlicher Unterricht.
III. Jeder Volksschullehrer muß sich vor seiner Anstellung bestimmten Prüfungen
vor der zuständigen Behörde unterwerfen.
1. Für die erste Lehrerprüfung, die Entlassungsprüfung am Lehrerseminar,
sind die Bestimmungen der Ministerialerlasse v. 15. Okt. 1872 4 und v. 1. Juli 19015
maßgebend. Die bestandene Prüfung berechtigt zur provisorischen Verwaltung eines
Schulamtes. Zu dieser Prüfung werden auch nicht im Seminar gebildete Lehramts-
kandidaten zugelassen, welche das 20. Lebensjahr zurückgelegt und durch Zeugnisse ihre
sittliche Unbescholtenheit und ihre körperliche Befähigung zur Verwaltung eines Lehramtes
nachgewiesen haben. Diese Lehramtskandidaten haben sich bis spätestens drei Wochen
vor dem Prüfungstermine, der durch das Regierungsamtsblatt bekannt gemacht wird, unter
1 Über die ausnahmsweise Zulassung jün9gerer
Aspiranten vgl. den Min. Erl. v. 3. Mai 1873
und 4. Mai 1876 (8. U. V. 1873, S. 279 und
1876, S. 286).
2 Doch kann an deren Stelle je eine Aus-
arbeitung über eine angemessen zu begrenzende
Aufgabe treten. Min. Erl. v. 1. Juli 1901, Z.
U. V. S. 641.
3 A. L. R. II, 12, 8§. 24, 25; Gen. Landschul-
regl. v. 12. Aug. 1763, g. 14;r Hildebrandt-
Quehl, S. 234 ff.; Nachtrag S. 75 ff.
4 M. Bl. d. i. Verw. 1872, S. 292, Nr. 258;
Z. U. V. 1872, S. 292.
5 Hildebrandt- Quehl, S. 234f.
2 Wegen der Anstellung von Personen, die vor
außerpreußischen Prüfungsbehörden des Deutschen
Reichs Prüfungen abgelegt haben, sowie von Aus-
ländern vgl. die bei Hildebrandt-Quehl a. a.
O., S. 316—322 und Nachtrag S. 107—108
mitgeteilten Ministerialerlasse. Vgl. das. S. 322
—324 über den Einfluß des religiösen Bekennt-
nisses und die Anstellung von Mitgliedern geist-