Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

304 Unterrichtswesen. (8. 142.) 
S. 142. 
V. Innere Einrichtung der Volksschule. 
I. Die preußische Gesetzgebung stellt die Verpflichtung der Eltern und ihrer Stell- 
vertreter fest, ihre Kinder oder Pflegebefohlenen nicht ohne Unterricht zu lassen, und 
regelt demgemäß die Schulpflicht der Kinder, indem sie den gesetzlich vorgeschriebenen 
Schulbesuch unter die Kontrolle der Schulbehörden stellt, sowie Zwangs= und Straf- 
anordnungen zur Erfüllung der Verpflichtung trifft.1 
II. Der Unterricht in der Volksschule erstreckt sich gemäß der Allgemeinen Ver- 
fügung v. 15. Okt. 1872 3 über Einrichtung, Aufgabe und Ziel der preußischen Volks- 
schule " auf Religion, deutsche Sprache (Sprechen, Lesen, Schreiben), Rechnen nebst den 
Anfängen der Raumlehre, Zeichnen, Geschichte, Geographie, Naturkunde, Gesang, Turnen? 
bzw. Handarbeit sowie Haushaltungsunterricht (für Schülerinnen der obersten Klasse). 
Dazu treten in der Mittelschule noch fremde Sprachen (Französisch, Englisch, fakult. 
Lateinisch).“ Die Unterrichtssprache ist deutsch."¾ Die Gesamtdauer der Ferien beträgt 
jährlich 80 Tage.? 
III. Die beiden wichtigen Grundsätze, daß der Zutritt in die öffentlichen Schulen 
niemandem wegen Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses versagt werden kann, und daß 
Kinder, die in einer anderen Religion, als welche in der öffentlichen Schule gelehrt wird, 
nach den Gesetzen des Staates erzogen werden sollen, dem Religionsunterricht in der 
Schule beizuwohnen nicht angehalten werden können, finden sich schon im Allgemeinen 
Landrecht (II, 12, §. 10, 11). 
Das V. U. G. v. 28. Juli 1906 hat den ersten dieser beiden Sätze in §. 34 noch 
einmal ausdrücklich ausgesprochen 10 und überdies eine Reihe weiterer grundlegender Be- 
stimmungen über die konfessionellen Verhältnisse!! der Volksschulen aufgestellt. 12 
Die Vorschriften gelten nicht in den Provinzen Westpreußen und Posen sowie im Regie- 
rungsbezirk Wiesbaden (Gebiet des ehemaligen Herzogtums Nassau) 13 (§. 42). Sie be- 
ziehen sich nicht auf die technischen Lehrkräfte, d. h. auf die lediglich für den technischen 
Unterricht (Zeichnen, Turnen, Handarbeit, Handfertigkeit, Hauswirtschaft) angestellten oder 
anzustellenden Lehrkräfte (§. 41). 
Was nun die Stellung des Gesetzes zum konfessionellen Charakter der Volksschule 
angeht, so vermeidet es die Bezeichnungen „konfessionelle Schule“ und „Simultanschule“. 
Konfessionelle Schulen sind solche, in denen der Religionsunterricht nur in einer Kon- 
fession erteilt wird und die an der Schule angestellten Lehrer dieser einen Konfession an- 
  
1 A. L. R. II, 12, 8§. 43 ff.; Kab. O. v. 14. Mai 
hat vorläufig noch seine selbständige Stellung 
1825 (G. S. 1825, S. 149); Verordn. v. 16. Sept. 
neben der Schule behalten. M. Bl. 1890, S. 
1867 (G. S. 1867, S. 1515), Art. IV. Vgl. 
das Nähere hierüber oben §. 136, S. 265 ff.; 
Hildebrandt-Quehl, S. 626 ff., 1158 ff.; 
Nachtrag S. 199 ff.; v. Bremen, Preuß. Volks- 
schule, S. 588 ff.; Dirksen, Art. Volksschul- 
wesen a. a. O., S. 825 f. 
* Hildebrandt-Quehl, S. 772ff.; Nach- 
trag S. 276 ff.; Dirksen a. a. O., S. 834. Uber 
Schulzucht vgl. A. L. R. II, 12,8§.50—53; Kab. O. 
v. 14. Mai 1825 (G. S., S. 149), Nr. 4—6; 
Min. Erl. v. 3. April und 22. Okt. 1888 (Z. U. V. 
1888, S. 422; 1889, S. 265) und v. 19. Jan. 
1900 (3Z. U. V. 1900, S. 231). 
5s M. Bl. d.i. Verw. 1872, S. 273; Z. U. V. 
1872, S. 585. 
4 Wegen des früheren Rechts vgl. v. Rönne, 
4. Aufl., Bd. IV, S. 696f. 
5 Vgl. hierzu besonders Hildebrandt-Quehl, 
S. 849 ff.; Nachtrag S. 281 ff. 
* Min. Erl. v. 6. Febr. 1909, Z. U. V. 1909, 
S. 334. Der Handfertigkeitsunterricht für Knaben 
  
71; Z. U. V. 1894, S. 366; 1912, S. 519; 
Dirksen a. a. O., S. 834. 
7 Min. Erl. v. 15. Okt. 1872, Z. U. V. S. 598. 
* Z. U. V. 1907, S. 724. Näheres bei Dirk- 
sen a. a. O., S. 834. Uber Schulzucht das. 
S. 835. 
* Min. Erl. v. 6. Nov. 1913 betr. einheitliche 
Bemessung und Gleichlegung der Schulferien 
(Z. U. V. 1913, S. 826). Wegen Ausfall des 
Unterrichts bei großer Hitze vgl. Min. Erl. v. 
24. Aug. 1892 (Z. U. V. 1892, S. 677). 
10 Jedoch dahin eingeschränkt, daß er nur noch 
für die am Schulort wohnenden Kinder gilt. 
Dirksen in v. Stengel-Fleischmanns Wörter- 
buch 2, Bd. III, S. 830. 
11 Zum Folgenden vgl. vor allem v. Bremen, 
Schulunterhaltungsgesetz, S. 79 ff. 
12 Vgl. oben §. 137, S. 273 ff. 
18 Hier bewendet es bei den bisherigen Vor- 
schriften. Edikt v. 24. März 1817, §. 2. Näheres 
beiv. Bremen, Schulunterhaltungsgesetz, S. 114f.
	        
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