Innere Einrichtung der Volksschule. (8. 142.) 305
gehören, Simultanschulen solche, in denen der Religionsunterricht für verschiedene Kon—
fessionen erteilt wird und die an der Schule angestellten Lehrer verschiedenen Konfessionen
angehören. Gleichwohl kann man sagen, daß das V. U. G. auf dem Prinzip der Kon—
fessionsschule beruht, so daß die Simultanschule die Ausnahme bildet.
1. Der Grundsatz der Konfessionsschule ist in §. 33, Abs. 1 des Gesetzes da-
hin ausgesprochen: Die öffentlichen Volksschulen sind in der Regel so einzurichten, daß
der Unterricht evangelischen Kindern durch evangelische Lehrkräfte, katholischen Kindern
durch katholische Lehrkräfte erteilt wird. Aus diesem konfessionellen Prinzip wird in
§. 35 die Folgerung für die Anstellung der Lehrkräfte an einklassigen konfessionellen
Schulen gezogen. An Volksschulen, die mit einer Lehrkraft besetzt sind, ist stets eine
evangelische oder eine katholische Lehrkraft anzustellen, je nachdem die angestellte Lehr-
kraft oder die zuletzt angestellt gewesene Lehrkraft evangelisch oder katholisch war: Auf
die Konfession der Mehrheit der Schüler zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes kommt
es nicht an. Vorgesehen ist aber die Umwandlung einer einklassigen evangelischen in eine
katholische Schule und umgekehrt, nämlich für den Fall der Veränderung des Konfessions-
verhältnisses der Schulkinder. Statt des evangelischen Lehrers soll bei Erledigung der
Stelle in der Regel ein katholischer angestellt werden, wenn 5 Jahre nacheinander min-
destens m der die Schule besuchenden einheimischen Kinder, ausschließlich der sog. Gast-
schulkinder, katholisch gewesen ist und während dieser Zeit die Zahl der evangelischen
Kinder weniger als 20 betragen hat. Unter den entsprechenden Voraussetzungen soll im
umgekehrten Falle in der Regel statt eines katholischen Lehrers ein evangelischer ange-
stellt werden. Die Veränderung bedarf der Zustimmung des Unterrichtsministers (S. 35,
Abs. 2). An öffentlichen Volksschulen, welche mit mehreren Lehrkräften besetzt sind, d. h.
mehrklassigen Volksschulen, sind nur evangelische oder nur katholische Lehrer anzustellen;
bei der Anstellung weiterer Lehrer an bisher nur mit einer Lehrkraft besetzten Schulen
sind evangelische oder katholische Lehrer anzustellen, je nachdem die bisherige einzige Lehr-
kraft evangelisch oder katholisch war. Doch ist auch hier der Fall der Veränderung der
konfessionellen Verhältnisse der Schulkinder vorgesehen und besonders normiert. Statt
der Besetzung der Schulstellen mit evangelischen Lehrkräften soll bei mehrklassigen Volks-
schulen in der Regel eine Besetzung mit katholischen Lehrern herbeigeführt werden, wenn
5 Jahre nacheinander mindestens ½ der die Schule besuchenden einheimischen Schul-
kinder, ausschließlich der Gastschulkinder, katholisch gewesen ist, und während dieser Zeit
die Zahl der evangelischen Kinder weniger als 40 betragen hat. Unter den entsprechen-
den Voraussetzungen sollen in der Regel statt katholischer Lehrer evangelische angestellt
werden. Auch hier ist die Zustimmung des Unterrichtsministers notwendig (§. 38).
2. Die Ausnahme bildet die Simultanschule. Solche Schulen sind nach dem
V. U. G. unter gewissen Voraussetzungen zugelassen und weiter entwickelt worden. Das
Gesetz spricht von „Volksschulen, an denen nach ihrer besonderen Verfassung bisher gleich-
zeitig evangelische und katholische Lehrkräfte anzustellen waren“ (§. 36). Wo dies der
Fall war, behält es dabei auch in Zukunft sein Bewenden: Die bestehenden Simultan-
schulen bleiben erhalten. Wo lediglich Simultanschulen bestehen, können neue Volksschulen
nur auf derselben Grundlage errichtet werden. Eine Anderung kann nur aus besonderen
Gründen durch Beschluß des Schulverbandes mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde herbei-
geführt werden. Wo neben Simultanschulen Konfessionsschulen bestehen, soll bei Errich-
tung neuer Schulen darauf geachtet werden, daß das bisherige Verhältnis der Beschu-
lung der Kinder in Schulen der einen oder anderen Art möglichst beibehalten wird (§. 36,
Abs. 1, 2). Aus besonderen Gründen können auch an anderen Orten Simultanschulen
errichtet werden (§. 36, Abs. 4). Wo Simultanschulen neu errichtet werden, sind Kon-
fessionsschulen nach 5 Jahren unter gewissen Voraussetzungen daneben einzurichten (§. 36,
Abs. 9, 10). An Simurltanschulen soll die Zusammensetzung des Lehrkörpers sich tun-
lichst dem Verhältnisse der die Schule besuchenden Kinder anschließen (§. 36, Abs. 11).
Im Regierungsbezirk Wiesbaden (im Gebiete des ehemaligen Herzogtums Nassau) bildet
die Simultanschule die Regel, die Konfessionsschule die seltene Ausnahme.1
1 Vgl. S. 304, Anm. 13.
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht. 5. Aufl. III. 20