Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

308 Unterrichtswesen. (§. 143.) 
einigt. Auch diese Gesamtschulverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Eine 
Gemeinde (Gutsbezirk) kann nicht nur einem, sondern auch mehreren Gesamtschulver- 
bänden angehören. Auch wenn sie selbst schon einen eigenen Schulverband für sich bildet, 
kann sie doch noch einem andern, ja sogar mehreren anderen Gesamtschulverbänden an- 
gehören. Eine Beschränkung besteht für Stadtgemeinden. Das städtische Schulwesen 
hat sich überall eigenartig entwickelt, nicht nur in der äußeren Ausgestaltung des Volks- 
schulwesens, sondern auch in der Art seiner Verwaltung. Es empfiehlt sich daher in der 
Regel nicht, Städte mit ländlichen Ortschaften für die übernahme und Verwaltung der 
Volksschulen zu einem neuen kommunalen Körper zu vereinigen. Infolgedessen bestimmt 
das Gesetz: Jede Stadt bildet in der Regel einen eigenen Schulverband. Stadtgemeinden 
mit mehr als 25 Schulstellen können mit anderen Gemeinden oder Gutsbezirken nur 
unter Zustimmung aller Beteiligten (Gemeinden, Gutsbezirke) zu einem Gesamtschulver- 
bande vereinigt werden (8. 2). Über die Bildung, Anderung und Auflösung der Ge- 
samtschulverbände beschließt bei Zustimmung der Beteiligten nach Anhörung des Kreis- 
ausschusses (sofern eine Stadt beteiligt ist, des Bezirksausschusses) die Schulaufsichtsbe- 
hörde. Bei Widerspruch von Beteiligten kann auf Antrag der Aufsichtsbehörde die Zu- 
stimmung durch Beschluß des Kreis= (bzw. Bezirks-ausschusses ergänzt werden. Gegen 
den Beschluß des Kreis-(Bezirks-hausschusses steht der Schulaufsichtsbehörde und den 
Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzialrat zu (§. 3). Über 
die infolge der Bildung, Anderung oder Auflösung der Schulverbände notwendig werdende 
Vermögensauseinandersetzung beschließt die Schulaufsichtsbehörde; gegen ihren Beschluß 
steht den Beteiligten gegeneinander innerhalb zwei Wochen die Klage im Verwaltungs- 
streitverfahren beim Bezirksausschuß zu (§. 4). 
Die Schulaufsichtsbehörde kann nach Anhörung der beteiligten Schulverbände Schul- 
kinder eines Schulverbandes gegen eine von diesem zu zahlende Vergütung gastweise der 
Schule eines anderen zuweisen (Näheres §. 5). 
B) Schulunterhaltung. 
I. Träger der Schullast.1 Die Volksschullast 2 war vor dem neuen V. U. G. 
in den einzelnen Provinzen Preußens nach sehr verschiedenen Grundsätzen geordnet. Im 
Gebiete des Allgemeinen Landrechts lag die Unterhaltung (II, 12, §§. 29 ff.) den be- 
sonderen Schulsozietäten (d. h. Zwangsgenossenschaften der Schulunterhaltungspflichtigen) 
und den Gutsherren ob. In Preußen überhaupt konkurrierten als Träger der Volksschul- 
lasten zwei Hauptgruppen: die bürgerlichen Gemeinden und die Schulsozietäten oder 
Schulgemeinden; neben beiden Gruppen kamen weiter in Betracht: Dominien, Guts- 
herren, Patrone, Besitzer adliger Güter, Grundherren usw. Ein großer Teil von Schul- 
stellen auf dem Lande und in den kleinen Städten war mit kirchlichen Amtern verbunden. 
Für diese über die ganze Monarchie verteilten Stellen traten als unterhaltungspflichtig 
auch die kirchlichen Interessenten hinzu. Die bürgerlichen Gemeinden waren Träger der 
Volksschullasten in Ost= und Westpreußen und im Geltungsgebiet des katholischen Schul- 
reglements für Schlesien, ferner in der Rheinprovinz und in Hessen-Nassau. In den übrigen. 
Landesteilen lag die Unterhaltung der Volksschulen gesetzlich besonderen Schulsozietäten ob. 
Einen Fortschritt in der Entwicklung brachte die Verfassungsurkunde v. 31.Jan. 1850; sie 
bestimmte in Art. 25: Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der 
öffentlichen Volksschulen werden von den Gemeinden und im Falle des nachgewiesenen 
Unvermögens ergänzungsweise vom Staate aufgebracht; die auf besonderen Rechtstiteln 
beruhenden Verpflichtungen Dritter bleiben unberührt. Diese Vorschrift blieb jedoch zu- 
nächst gemäß Art. 112 der Verfassungsurkunde suspendiert. 
Das V. U. G. v. 28. Juli 1906 ist diesen Grundsätzen gefolgt. Es hat zu 
Trägern der Schullast die bürgerlichen Gemeinden und die Gutsbezirke gemacht." In- 
  
1# v Bremen, Schulunterhaltungsgesetz, S. 3 Über das bisherige Recht v. Bremen a. a. 
9 ff., 24 ff. O., S. 9 ff.; ders., Preuß. Volksschule, S. 546 ff. 
2 Dazu gehört nicht die Pflicht zur Unterhal- 4 Das Gesetz gilt nicht in den Provinzen West- 
tung von Mittelschulen. Entsch, des O. V. G., preußen und Posen. In Posen sind die Schulsozie- 
Bd. XXIII, S. 99 ff. 6 täten, in Westpreußen die politischen Gemeinden
	        
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