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anstalten einzurichten. Ist in einem Orte oder Schulbezirke eine an Zahl und Ver-
mögensmitteln hinreichende christliche und jüdische Bevölkerung vorhanden, um auch für
die jüdischen Einwohner ohne deren Überbitrdung eine besondere öffentliche Schule an-
legen zu können, so kann, wenn sonst im allgemeinen Schulinteresse Gründe dazu vor-
handen sind, die Absonderung der Juden zu einem eigenen Schulverbande auf den Antrag
des Vorstandes der Synagogengemeinde angeordnet werden (§. 64). Die Regierung hat
in solchem Falle über die beabsichtigte Schultrennung und den dazu entworfenen Ein-
richtungsplan der Kommunalbehörde des Ortes und die übrigen Interessenten mit ihren
Erklärungen und Anträgen zu vernehmen (§. 65). Ergibt sich hierbei ein Einverständnis
über die Zweckmäßigkeit der Schulabtrennung und über die Bedingungen der Ausführung,
so ist die Regierung befugt, die entsprechenden Festsetzungen und Einrichtungen unmittel-
bar zu treffen. Im Falle obwaltender Differenzen entscheidet das Ministerium der
geistlichen usw. Angelegenheiten (§. 66). Eine hiernach errichtete jüdische Schule hat die
Eigenschaften und Rechte einer öffentlichen Schule 1 (§. 67).
Was die Ortsaufsicht über jüdische Sozietätsschulen betrifft, so soll solche überall
da, wo geeignete jüdische Organe zur Beaufsichtigung jüdischer Schulen vorhanden sind,
an Juden übertragen werden, wenn der damit zu Betrauende bereit ist, die Ortsschul-
inspektion als ein ihm vom Staate übertragenes Amt zu übernehmen; anderenfalls
soll sie geeigneten evangelischen oder katholischen Geistlichen übertragen werden.?
In den neupreußischen Landesteilen 3 der Monarchie gelten folgende Be-
stimmungen:
Für die Provinz Hannover hat das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Juden
v. 30. Sept. 1842 im §. 20 vorgeschrieben, daß das Synagogen= und Schulwesen
der Juden unter der Aufsicht der Regierung stehen und daß diese Aufsicht, neben den
Ortsobrigkeiten, zunächst durch die Landrabbiner unter Leitung der Landdrosteien (sjetzt
Regierungen) ausgeübt werden soll. Die §§. 38—47 a. a. O. enthalten die näheren
Bestimmungen über das jüdische Schulwesen. Zu ihrer Ausführung wurde von dem
Ministerium des Innern mit landesherrlicher Genehmigung die Schulordnung für die
jüdischen Schulen v. 5. Febr. 18545 erlassen. Nach ihr (§. 10) bildet in der Regel
jede Synagogengemeinde einen Schulverband; doch können in besonderen Fällen die Be-
zirke mit Genehmigung der Landdrostei (Regierung) anderweitig festgestellt werden.
Für das vormalige Herzogtum Schleswig hat die Verordnung v. 8. Febr. 1854 5
die an einem Orte sich aufhaltenden Juden für befugt erklärt, besondere Schulen für
ihre Kinder einzurichten, sofern sie die Gehalte der Lehrer und die übrigen Bedürfnisse
der Schule aufzubringen vermögen (§. 27, Abs. 1). Wo keine besondere Schule für
Inden besteht, sind deren Kinder verpflichtet zum Besuch der allgemeinen Ortsschulen und
zur Teilnahme an dem gesamten Unterricht, mit Ausnahme des Religionsunterrichts, falls
nicht die Eltern selbst wünschen, daß die Kinder an demselben teilnehmen. Für den
Religionsunterricht ist in solchen Fällen anderweitig zu sorgen von seiten der Eltern oder
1 Die näheren Bestimmungen in dieser Be-
ziehung und die dabei vorkommenden Modali-
täten sind im §. 67 vorgeschrieben. — liber das
Verhältnis öffentlicher jüdischer Schulen zu den
Synagogengemeinden vgl. den Min. Erl. v. 24. Jan.
1865 (M. Bl. d. i. Verw. 1865, S. 47).
* Vgl. den Min. Erl. v. 14. März 1870 (M.
Bl. d. i. Verw. 1870, S. 93) und die durch ihn
modifizierten Erlasse v. 1. Aug. 1866 (a. a. O
1866, S. 159) und v. 16. Mai 1868 (a. a. .
1868. S. 243). Vgl. über den Gegenstand den
Ber. der Komm des A. H. für das Unterrichts-
wesen v. 31. Jan. 1868 in den Stenogr. Ber.
des A. H. 1867—68, Anl. Bd. II, Aktenst. Nr.
260 unter B, S. 520 f. und die Verhandlungen
hierüber in der Sitz. v. 28. Febr. 1868 (a. a. O
Bd. III, S. 2016—17), desgl. den Ber. der Komm.
des A. H. für das Unterrichtswesen v. 5. Nov.
1869 in den Stenogr. Ber. des A. H. 1869—70,
Anl. Bd. I, Aktenst. Nr. 96 unter B, S. 516 ff.
und die Verhandlungen hierüber in der Sitz. v.
17. Nov. 1869 (a. a. O., Bd. I, S. 573—580).
3 Vgl. zum Folgenden v. Bremen, Schul-
unterhaltungsgesetz, S. 108 ff.
4 G. S. für Hannover 1842, Abt. I, S. 211 ff.;
dazu die Bekanntmachung des Min. d. Inn. v.
19. Jan. 1844, betr. das iüdische Synagogen-,
Schul= und Armenwesen (a. a. O. 1844, Abt. I,
S. 43).
5 G. S. für Hannover 1854, Abt. I, S. 49.
Dazu Min. Erl. v. 27. Mai 1882 betr. die Ent-
richtung des Schulgeldes und der sonstigen Schul—
beiträge für jüdische Kinder an die christlichen
Schulen des Ortes (Z. U. V. 1882, S. 675,
Nr. 135).
5 Samml. d. Verordnungen, S. 124.