Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

Lehreinrichtung der höheren Schulen. (8. 148.) 323 
des Zeichen-, Sing- und Turnunterrichts enthalten die Ministerialerlasse v. 3. April 
1902 1, 21. Juni 1910, 27. Okt. 1882 und 30. Juli 1883. Schülerverbindungen sind 
verboten.? Wegen der Dauer der Unterrichtsstunden (sog. Kurzstunden) vgl. den Mi- 
nisterialerlaß v. 22. Aug. 1911.3 Die Gesamtdauer der Ferien beträgt 80 Tage.“ 
II. Bei den höheren Schulen findet eine Entlassungsprüfung statt. Das 
zuerst 1788 5 eingeführte, seit 18127 für alle höheren Schulen obligatorische Abitu- 
rientenexamen ist für Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen heute durch die 
Reifeprüfungsordnung v. 1. Nov. 1901 8 geordnet. 
Diese Prüfungsordnung bestimmt als Zweck der Reifeprüfung die Ermittelung, ob 
der Schüler dasjenige Maß der Schulbildung erlangt hat, welches den in den Lehr- 
plänen und Lehraufgaben für die höheren Schulen gestellten Zielforderungen des Gym- 
nasiums, des Realgymnasiums oder der Oberrealschule entspricht. Zur Abhaltung von 
Reifeprüfungen sind alle diejenigen Lehranstalten (Gymnasien, Realgymnasien und 
Oberrealschulen) berechtigt, welche von dem Unterrichtsminister als solche anerkannt 
worden sind. Die Prüfungskommissionen bestehen aus dem vom Provinzialschulkollegium 
ernannten königlichen Kommissar als Vorsitzenden, dem Direktor der Anstalt und den- 
jenigen Lehrern, welche in der obersten Klasse mit dem Unterrichte in den wissen- 
schaftlichen Lehrfächern betraut sind; bei den Realgymnasien und Oberrealschulen kommt 
der Lehrer hinzu, welcher den Zeichenunterricht in der obersten Klasse erteilt. Das 
Provinzialschulkollegium ernennt regelmäßig dasjenige seiner Mitglieder, welches die 
inneren Angelegenheiten der betreffenden Lehranstalt bearbeitet, zum Prüfungskommissar, 
kann aber im einzelnen Falle für die Leitung der mündlichen Prüfung einen stell- 
vertretenden Kommissar ernennen und mit dieser Stellvertretung insbesondere den Di- 
rektor der Anstalt beauftragen. Dasjenige Organ, dem die rechtliche Vertretung der 
Schule zusteht, ist befugt, für die Prüfung der eigenen Schüler dieser Anstalt aus seiner 
Mitte einen Vertreter zum Mitgliede der Prüfungskommission zu ernennen, welcher 
Stimmrecht in derfelben hat. Auf sämtliche Verhandlungen der Prüfungskommission 
erstreckt sich für deren Mitglieder die Amtsverschwiegenheit. Das Provinzialkollegium 
kann auch solche junge Leute, welche, ohne Schüler einer höheren Lehranstalt zu sein, die 
an die Reifeprüfung geknüpften Rechte erwerben wollen, der Prüfungskommission einer 
höheren Lehranstalt zur Prüfung überweisen.“ Wer die Prüfung bestanden hat, erhält 
ein Zeugnis der Reife. Das Zeugnis wird von sämtlichen Mitgliedern der Prüfungs- 
kommission unterzeichnet. Die „Vereinbarung der Bundesregierungen über die gegen- 
seitige Anerkennung der Reifezeugnisse“ v. 22. Okt. 1909 (Z. U. V. S. 768, 
setzt als Mindestmaß für die zu erfüllenden Zielforderungen im wesentlichen die aus den 
preußischen Lehrplänen v. 1901 sich ergebenden Lehrziele fest. 
  
1 Z. U. V. 1912, S. 349. 
2 Min. Erl. v. 29. Mai 1880 (M. Bl. 1880, 
S. 194). 
Z. U. V. 1911, S. 528. 
4 Min. Erl. v. 6. Nov. 1913; Z. U. V. 1913, 
S. 826. 
5 Die 1891 eingeführte „Abschlußprüfung“ am 
Ende der Ull (Berechtigung zum einjährig-frei- 
willigen Dienst) ist 1900 wieder beseitigt worden 
(Min. Erl. v. 20. Dez. 1900; Z. U. V. 1901, S. 
191). In den sechsklassigen Anstalten dagegen ist 
diese Abgangs-) Prüfung beibehalten worden (Min. 
Erl. v. 30. Okt. 1901, Z. U. V. 1901, S. 950). Ein 
Gesamtverzeichnis derjenigen Lehranstalten, welche 
  
gemäß §. 90 der Wehrordnung zur Ausstellung 
von Zeugnissen über die Befähigung für den 
einjährig-freiwilligen Militärdienst berechtigt sind, 
findet sich im Anhang zu Nr. 52 des Zentr. Bl. 
f. d. Deutsche Reich v. 24. Okt. 1913, S. 1043. 
6 Vgl. Erl. v. 23. Dez. 1788 (v. Rönne, Unter- 
richtswesen, Bd. II, S. 257); vgl. auch A. L. R. 
II, 12, §§. 64, 77, 78; Anhang, Ss. 133, 134. 
* Prüfungsreglement v. 25. Juli 1812, in 
v. Kamptz, Ann., Bd. XIII, S. 77. 
s 3B. U. V. 1901, S. 933. 
* Min. Erl. v. 8. Juli 1902; 3. U. V. 1902, 
S. 537. 
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