324 Unterrichtswesen. (8. 149.)
8. 149.
V. Höhere Mädchenschulen.
I. Höhere Mädchenschulen? bestehen in Preußen seit Ende des 18. Jahrhunderts.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der städtischen, stiftischen und privaten
„höheren Töchterschulen“, wenn auch nicht erheblich, so doch ständig zu, ohne daß nen-
nenswerte Vorschriften über das Mädchenschulwesen vom Staate erlassen wurden. Erst
durch die Verfügung v. 31. Mai 1894 wurde ein fester Lehrplan für die höheren
Mädchenschulen aufgestellt. Die Ausbildung wurde auf neun Jahreskurse festgesetzt; es
wurden mindestens sieben aufsteigende Klassen vorgeschrieben und zwei fremde moderne
Sprachen für obligatorisch erklärt. Der Lehrbetrieb sollte auf die Eigenart der weib-
lichen Natur berechnet sein. Der Lehrkörper sollte sich, wie bisher, aus akademisch und
seminaristisch gebildeten Lehrern und Lehrerinnen zusammensetzen. An jeder öffentlichen
höheren Mädchenschule, welche nicht unter der Leitung einer Direktorin stand, sollte dem
Direktor eine Lehrerin als Gehilfin beigegeben werden, um ihn bei der Lösung der er-
ziehlichen Aufgabe der Anstalt zu unterstützen; außerdem sollte das Ordinariat wenigstens
einer der drei Oberklassen in die Hand einer Lehrerin gelegt werden. Durch eine weitere
Verfügung v. 31. Mai 1894 3 wurde eine „Ordnung der wissenschaftlichen Prüfung
der Lehrerinnen“ erlassen. Es sollten im Besoldungsetat dieser Schulen einige Lehrerinnen-
stellen als „„Oberlehrerinnenstellen“ bezeichnet und nur mit Lehrerinnen besetzt werden,
die ihre Befähigung durch Ablegung der wissenschaftlichen Prüfung nachgewiesen hätten.
Durch Erlaß v. 15. Juni 1900 “ wurde die Oberlehrerinnenprüfung weiter ausgestaltet.
Im Zusammenhange mit der Gestaltung der höheren Mädchenschule stand die Frage der
Lehrerinnenbildung. Dazu traten in neuester Zeit weitere Probleme, wie namentlich die
der Mädchengymnasien und des Universitätsstudiums der Mädchen. Die Unterrichts-
verwaltung ließ die Mädchen zunächst nur als Hörerinnen zu unter der Voraussetzung
der dazu erforderlichen Vorbildung und unter der Bedingung der Einwilligung der
Dozenten (Min. Erl. v. 17. Mai 1895, v. 10. März 1899, v. 26. Febr. 1901).5
Nunmehr mußte der Staat aber einen Schritt weitergehen und auch die Bildungswege
ordnen, auf welchen die Mädchen die Befähigung zum Besuche einer Universität erwerben
könnten. Damit war zugleich das Problem der Umgestaltung des ganzen höheren Mäd-
chenunterrichts aufgerollt. Es bot sich schließlich in allen entscheidenden Fragen bei der
Fortbildung der Mädchen, bei der Lehrerinnenbildung, bei den Mädchengymnasien und
bei dem Universitätsstudium der Frauen ein Bild unfertiger Zustände, tastender Versuche,
starker Gärung, neuer Anschauungen“. Die Lösung brachte die umfassende Reform des
höheren Mädchenschulwesens im Jahre 1908.
II. Zunächst regelte der Allerhöchste Erlaß v. 15. Aug. 19087 die Zuständigkeit
in der Aufsicht über die höheren Mädchenschulen und die Titel= und Raug-
verhältnisse der Direktoren und Oberlehrer an diesen Schulen. Die höheren Mädchen-
schulen — heute Lyzeen 3 — sowie die weiter führenden Bildungsanstalten für die weib-
liche Jugend — heute Oberlyzeen und Studienanstalten 3 — sind als höhere Lehranstalten
1 v. Bremen, Das höhere Mädchenschulwesen,
Nachtragsheft 3 zu „Die preuß. Volksschule“,
1908; Güldner, Die höheren Lehranstalten für
die weibliche Jugend in Preußen, 2. Aufl., 1913;
Wychgram, Handbuch des höheren Mädchen-
schulwesens, 1897; ders., Vorträge und Aufsätze
zum M., 1907; ders., Das höhere Unterrichts-
wesen in Deutschland, 1912, S. 40 ff.; ders.,
Art. Mädchenschulwesen in v. Stengel-Fleisch-
manns W. St. V. R. 2, Bd. II, 1913, S. 803
—806; ders., Ztschr. „Frauenbildung“, 1902 ff.;
Martin, Das höhere M. in Deutschland, 1906;
Güldner, Ztschr. „Die höheren M.“, 1887 ff.;
Treuge, Ztschr. „Die Lehrerin“, 1883 ff.
2 Zur geschichtl. Entwicklung v. Bremen a.
a. O., S. 1 ff. Über Militärunterrichtsanstalten
ogl. Hue de Grais, Handbuch der Verfassung
und Verwaltung, S. 108.
* Z. U. V. 1894, S. 483 ff.
4 Z. U. V. 1900, S. 618.
5 Z. U. V. 1895, S. 450; 1899, S. 420;
1901, S. 335.
6 v. Bremen a. a. O., S. 14.
* Vgl. Z. U. V. 1908, S. 692.
8 Diese Terminologie beruht auf dem Allerh.
Erlaß v. 18. Dez. 1911 (3. U. V. 1912, S. 215);
dazu Min. Erl. v. 1. Febr. 1912 (Z. U. V. 1912,
S. 213).