Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Zweite Abteilung. (3_2)

Höhere Mädchenschulen. (8. 149.) 325 
in den Aufsichtskreis der Provinzialschulkollegien überwiesen worden. Hinsichtlich der Rang- 
und Titelverhältnisse der Direktoren und akademisch gebildeten Oberlehrer finden die für 
die höheren Lehranstalten der männlichen Jugend geltenden Vorschriften entsprechende An— 
wendung. Die mit Oberlyzeen und Studienanstalten verbundenen öffentlichen Lyzeen und 
die für sich bestehenden öffentlichen Oberlyzeen und Studienanstalten werden wie die voll— 
klassigen höheren Lehranstalten für die männliche Jugend, hingegen die für sich bestehen- 
den öffentlichen Lyzeen wie die geringerklassigen höheren Lehranstalten für die männliche 
Jugend behandelt. 
III. Am 18. Aug. 1908 wurden die „Bestimmungen über die Neuordnung des 
höheren Mädchenschulwesens“ erlassen.! Sie regeln das Lyzeum, das Oberlyzeum und 
die Mädchenstudienanstalt. Lyzeen sind diejenigen Schulen, die in bezug auf die Lehr- 
fächer, Stundenzahlen und Lehrpläne den dafür erlassenen Bestimmungen entsprechen, und 
in denen in der Regel wenigstens die Hälfte der Stunden in wissenschaftlichen Fächern 
der Mittel= und Oberstufe von akademisch gebildeten Lehrern und Lehrerinnen erteilt wird. 
Die Schule umfaßt zehn aufsteigende Klassen. Damit ist eine lange erhobene Forderung 
erfüllt worden. Die Klassen zerfallen in Unterstufe (X—VIII, Vorschulklassen), Mittel- 
stufe VII—V) und Ocberstufe (IV—I). Die Unterstufe braucht nicht notwendig vor- 
handen zu sein, es ist vielinehr zulässig, Lyzeen auf die Mittel- und Oberstufe zu be- 
schränken. Anstalten mit geringerer Gliederung führen, sofern sie nicht nach dem Plan 
der Mittelschule unterrichten, und sofern sie ihrem Unterricht die Lehrpläne v. 31. Mai 
1894 oder v. 12. Dez. 1908 zugrunde legen, die Bezeichnung „Höhere Mäödchenschule“.2 
Das Mindestalter beträgt für den Eintritt in Klasse X: 6, in Klasse VI:9 Jahre. 
Die Anzahl der Schülerinnen in der Klasse soll 40 nicht übersteigen. Wo die Ver- 
hältnisse es wünschenswert erscheinen lassen, ist es ausnahmsweise statthaft, in die Klassen 
der Unter= und Mittelstufe eines Lyzeums mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde auch 
Knaben aufzunehmen, die dann mit dem etwa erforderlichen Nebenunterricht sich für die 
Aufnahme in die Tertia einer höheren Knabenschule vorbereiten können. Im Lehrplan 
ist im Gegensatz zu früher der mathematische Unterricht neu, der Rechenunterricht ver- 
stärkt, der naturkundliche Unterricht erweitert. 
IV. Das Oberlyzeums dient zunächst 1. der Weiterführung der allgemeinen Frauen- 
bildung; es soll in den Frauenschulklassen neben wissenschaftlichen Fächern hauswirtschaft- 
liche sowie praktisch-pädagogische Belehrungen und Ubungen bieten, um dem Bildungs- 
bedürfnisse der heranwachsenden Mädchen nach ihrer Wahl und Neigung entgegenzu- 
kommen und ihrem inneren Leben einen würdigen Inhalt zu geben, der sie vor Verflachung 
und Veräußerlichung bewahrt, und um ihnen zugleich Mittel und Wege zu zeigen, wie 
sie als Frauen den Anforderungen unserer Zeit entsprechen können. Das Olberlyzeum 
dient zugleich 2. der Aufgabe der wissenschaftlichen Fortbildung (früher: „höheres Lehre- 
rinnenseminar“); es umfaßt in diesem Falle zwei Jahrgänge in den Frauenschulklassen, 
daneben drei wissenschaftliche Klassen und eine Seminarklasse. Schülerinnen der drei 
wissenschaftlichen Klassen des Oberlyzeums, die an den vorgeschriebenen Unterrichtsfächern 
verbindlich und regelmäßig teilgenommen haben, erlangen in einer Reifeprüfung das 
Reifezeugnis des Oberlyzeums (die Reife für den Eintritt in die Seminarklasse) und am 
Schlusse dieses Jahres in einer praktischen und methodischen Prüfung die Befähigung 
für das Lehramt an mittleren und höheren Mädchenschulen (als nicht akademisch ge- 
bildete Lehrerinnen). Diese Lehrbefähigung schließt diejenige für Volksschulen ein. Es 
ist zulässig, die Frauenschulklassen und die wissenschaftlichen Klassen je allein an das 
Lyzeum anzuschließen. Wo beide Arten von Klassen bestehen, können Schitlerinnen der 
Frauenschulklassen am Unterricht der wissenschaftlichen Klassen als Hospitantinnen teil- 
nehmen. Zu erstreben ist überall die Einrichtung gesonderten wissenschaftlichen Unter- 
richts für die Schülerinnen der Frauenschulklassen, sobald die Zahl der Teilnehmerinnen 
  
1 Dazu die Ausführungsbestimmungen v. 3 Vgl. auch den in der vorigen Note ange- 
12. Dez. 1908 (3. U. V., S. 694, 886). führten Min. Erl. 
Min. Erl. v. 1. Febr. 1912, 3Z. U. v. 1912, 
S. 213. 6
	        
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