326 Unterrichtswesen. (§. 149.)
dies gestattet; dabei wird eine freiere Art des Lehrens und Lernens zu wählen sein, bei
welcher auch Gelegenheit zu Referaten und Besprechungen über diese gegeben wird, und
in welche auch Vorträge von Dozenten, die nicht dem Lehrkörper der Anstalt angehören,
einbezogen werden können; Referate sind den Schülerinnen nicht aufzugeben, sondern zur
Wahl zu stellen. Verbindlich für die Schilerinnen der Frauenschulklassen ist die Teil-
nahme am Unterricht in der Pädagogik und an einem zweiten wissenschaftlichen Fache.
Wo die örtlichen Verhältnisse es möglich und wünschenswert erscheinen lassen, wird das
Oberlyzeum außer der Vollausbildung zur Lehrerin auch die Gelegenheit zur Ausbildung
als Sprachlehrerin, Hauswirtschafts-, Handarbeits= und Turnlehrerin in besonderen Kursen
bieten können. Das Oberlyzeum kann zur Durchführung dieser Aufgabe auch mit anderen
geeigneten Veranstaltungen in Verbindung treten. Die gleichzeitige Ausbildung als
wissenschaftliche und technische Lehrerin ist einer Schülerin jedoch nicht gestattet. Der
Eintritt in die wissenschaftlichen Klassen des Oberlyzeums ist bedingt durch das ohne be-
sondere Prüfung zu erteilende Schlußzeugnis des Lyzeums; andernfalls bedarf es einer
Aufnahmeprüfung. Auch für den Eintritt in die Frauenschulklassen wird im allgemeinen
die abgeschlossene Bildung eines Lyzeums vorausgesetzt; doch bleibt der Anstaltsleitung
überlassen, sich auch ohne Einforderung von Schulzeugnissen in geeigneter Weise zu
vergewissern, daß der Bildungsstandpunkt der Eintretenden den in den Kursen gestellten
Anforderungen entspricht. Nach wenigstens zweijährigem regelmäßigem Besuch erhalten
die Schülerinnen der Frauenschulklassen ein Schlußzeugnis der Frauenschulklassen des
Oberlyzeums. Mit dem Oberlyzeum muß in der Regel eine lbungsschule für die
Lehrübungen der Seminaristinnen und ein Kindergarten für die praktische Einführung
aller Schülerinnen in die Kleinkindererziehung 1 verbunden sein.
V. Die Mädchenstudienanstalt soll die Weiterbildung der Mädchen so fördern,
daß die Schülerinnen in einer Reifeprüfung eine Bildung nachweisen, welche der durch
die neunklassigen höheren Knabenschulen vermittelten gleichwertig ist, wenn auch mecha-
nische Übereinstimmung nicht besteht. Sie gliedert sich in drei Zweige, die den drei be-
stehenden Arten der höheren Schulen entsprechen. Eine solche Studienanstalt wird in
der Regel nur dort genehmigt, wo zunächst für die allgemeine Weiterbildung durch Ein-
richtung von Frauenschulklassen gesorgt ist. Die Studienanstalt hat in den realgymnasialen
und gymnasialen Kursen je sechs, in den Oberrealschulkursen fünf Klassen (VI bzw. V—I,
Untertertia bis Oberprima). Wer in die Studienanstalt eintreten will, muß sich über
den erfolgreichen Besuch der Oberrealschulklasse III bzw. (Real-) Gymnasialklasse IV eines
Lyzeums durch ein Abgangszeugnis ausweisen. Die Reifeprüfung der Studienanstalt?
entspricht derjenigen einer höheren Knabenschule und verleiht deren Berechtigungen, soweit
sie für Frauen in Betracht kommen. Die somit universitätsreifen Frauen werden in
allen Fakultäten zur Immatrikulation grundsätzlich zugelassen. Dagegen gelten für die
Zulassung zu einer staatlichen oder kirchlichen Prüfung, zur Doktorpromotion oder Habi-
litation nach wie vor ausschließlich die Vorschriften der betreffenden Prüfungs-, Promo-
tions= und Habilitationsordnungen.“
VI. Für Lyzeen, Oberlyzeen und Studienanstalten gelten noch einige gemeinsame
Bestimmungen. Alle öffentlichen Oberlyzeen und Studienanstalten haben das Recht
der Entlassungsprüfung. An diesen Anstalten unterrichten männliche und weibliche Lehr-
kräfte 5 in annähernd gleicher Zahl. Für die Unterstufe (Vorschulklassen) der Lyzeen
können Volksschullehrer und lehrerinnen angestellt werden. Die übrigen „Lrdentlichen
1 Prüfungsordn. v. 16. Aug. 1911 (3. U. . " Vgl. Min. Erl. v. 18. Aug. 1908 betr. die
1911, S. 530).
2 Die durchdie Neuorganisation der Lehrerinnen-
bildung bedingte Veränderung der Ordnungen
für die Lehrerinnenprüfung und für die wissen-
schaftliche Abschlußprüfung a. d. Oberlyzeen er-
folgte durch den Min. Erl. v. 11. Jan. 1911 (3Z.
U. V. 1911, S. 251).
5 Ordnung: Min. Erl. v. 20. Okt. 1910 (3.
U. V. 1910, S. 842).
Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium,
mitgeteilt bei v. Bremen a. a. O., S. 37
vgl. auch Min. Erl. v. 11. April 1909 (Z. U. V.
1909, S. 4119.
5 Dienstanweisung für die Direktoren (Direk-
torinnen) und Lehrer (Lehrerinnen) an den höheren
khranssulten v. 10. März 1912 (3Z. U. V. 1912,
)