Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

118 Zweiter Abschnitt. (8. 29.) 
kennen diese Maßregel nicht, sie könnte hier nur im Wege der Gesetzgebung durch- 
geführt werden. 
Die Auflösung erfolgt in Kurhessen in den Hauptstädten durch Verfügung des 
Ministers des Innern, in den anderen Städten durch Verfügung des Regierungs- 
präsidenten, nach Anhörung des Stadtvorstandes; in den übrigen Rechtsgebieten erfolgt 
sie durch königliche Verordnung auf Antrag des Staatsministeriums. Besondere Gründe, 
aus welchen die Auflösung ausgesprochen werden soll, hat nur die kurhessische Gemeinde= 
ordnung angegeben, nämlich, ähnlich der Städteordnung von 1831: fortwährendes Ver- 
nachlässigen der Pflichten oder gar Zuwiderhandeln gegen diese. Die anderen Gesetze haben 
die Befugnis der Regierung zur Auflösung nicht an bestimmte Voraussetzungen gebunden. 
Nach der Auflösung ist sofort eine Neuwahl der Stadtverordnetenversammlung an- 
zuordnen, welche in den alten Provinzen und in Frankfurt a. M. binnen sechs, in 
Schleswig-Holstein binnen drei Monaten vom Tage der Auflösungsverordnung ab 
erfolgen muß. In Kurhessen kann in der Auflösungsverordnung noch bestimmt werden, 
daß die neue Vertretung aus anderen Ortsbürgern zu bilden ist, oder daß die Regierung 
sich doch den Einspruch gegen die Wiederwahl einzelner Mitglieder binnen eines gewissen 
Zeitraumes, der jedoch neun Jahre nicht überschreiten darf, vorbehält.!1 
Mit dem Zeitpunkte der Auflösung treten die Mitglieder der aufgelösten Stadt- 
verordnetenversammlung außer Thätigkeit. Ihre Funktionen gehen für die Zwischenzeit 
in Schleswig-Holstein auf den Magistrat, in den östlichen Provinzen und in 
Frankfurt a. M. auf den Bezirksausschuß über.) Die Verwaltung dieser Behörden 
wird sich, wie die schleswig-holsteinsche Städteordnung ausdrücklich hervorhebt, auf die 
laufenden Geschäfte zu beschränken haben, alle nicht dringlichen wichtigen Angelegenheiten 
und besonders auch Verfügungen über das Vermögen der Gemeinde gehören nicht zu 
ihrer Kompetenz.? 
B. Der Stadtvorstand. 
S. 29. 
1) Der rechtliche Charakter des Stadtvorstandes, das Kollegial- 
und das Bureausystem.“ 
I. Der Stadtvorstand erscheint nach innen als die Obrigkeit, nach außen als der 
Vertreter der Stadtgemeinde. Seine Handlungen, welche er vornimmt zur Ausführung 
von Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung oder auch ohne diese Grundlage zur 
Erledigung laufender Verwaltungsgeschäfte, erscheinen als Handlungen der Stadt. Er 
ist eine Behörde der Stadt und ermangelt daher der juristischen Persönlichkeit. Seine 
Mitglieder sind öffentliche Beamte. 
II. Der Stadtvorstand besteht entweder aus einer Mehrheit gleichberechtigter Per- 
sonen, einem Kollegium, oder aus einer Einzelperson, der unselbständige Hilfsarbeiter 
beigegeben sind. Ersterenfalls ist er nach dem Kollegial-, letzterenfalls nach dem Bureau- 
  
1 St. O. ö., w., §. 79; wiesb., §s. 84; rh., 
#§. 86; frkf., §. 82; schlesw.-holst., §. 65; G. O. 
kurh., §. 100. 
schenzeit der Magistrat allein die Stadtgeschäfte 
besorgen soll. v. Brauchitsch, 1, S. 217, 
Anm. 46. 
: Zust. G., S. 17, Z. 3; St. O. wiesb., §. 81, 
Abs. 2. In Kurhessen tritt für die Zwischen- 
zeit, von der Auflösung bis zur Neuwahl der 
Stadtverordnetenversammlung, nicht der Bez. A. 
für dieselbe ein, da er nach §. 17 Zust. G. nur 
da einzutreten hat, wo nach den Gemeindever- 
fassungsgesetzen bisher die Aufsichtsbehörde ein- 
zutreten hatte. Die G. O. kurh. beruft letztere 
aber nicht zur interimistischen Vertretung der 
Stadtverordnetenversammlung. Dasselbe gilt 
in Schleswig-Holstein, wo für die Zwi- 
  
Ugl. Ortel, S. 422, Anm. zu §. 79. 
* Leidig, S. 109; v. Möller, St., §§. 40, 
41; Steffenhagen, §s§. 55, 56; Schmitz, 
#§. 2. Bgl. auch Blodig, Selbstverwaltung, 
S. 162 ff. 
* Als solche kann er beleidigt werden, und 
es findet alsdann §. 196 R. Str. G. B. An- 
wendung. Vgl. Rechtsprechung des Deutschen 
Reichsgerichts in Strafsachen, herausgegeben 
von den Mitgliedern der Reichsanwaltschaft, 
IV, S. 135.
	        
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