Ortsgemeinben; das geltende Recht. (8. 64.) 243
auf denjenigen Teil des Steuerbedarfs zu verrechnen, welcher durch Prozente der ent-
sprechenden vom Staate veranlagten Steuer aufzubringen ist. Es sind daher besondere
Steuern vom Grundbesitz auf den durch Prozente der Grund= und Gebäudesteuer, be-
sondere Steuern vom Gewerbebetriebe auf den durch Prozente der Gewerbesteuer und
endlich besondere Einkommensteuern auf den durch Personalsteuern zu deckenden Teil des
Bedarfs anzurechnen; den Einkommensteuern stehen gleich die sie nach §. 23 des Gesetzes
ersetzenden Aufwandssteuern, nur Mietssteuern von gewerblich benutzten Räumen sollen
auf die Gewerbesteuern verrechnet werden.
Im einzelnen bestimmt das Gesetz über die Verteilung des Steuerbedarfs Folgendes:
1) In Übereinstimmung mit der neuen Landgemeindeordnung läßt es die Erhebung
von Zuschlägen zur Staatseinkommensteuer in der Regel nur bei gleichzeitiger Heran-
ziehung der vom Staate veranlagten Realsteuern zu, in Abweichung von ihr gestattet es
dagegen, daß zur Deckung des Gemeindebedarfs die Realsteuern ausschließlich heran-
gezogen werden, und begünstigt überhaupt eine verhältnismäßig stärkere Belastung der Real-
steuern, als sie bisher vorgeschrieben war. Die Realsteuern sind in der Regel mindestens
zu dem gleichen, können aber, solange die zu ihnen erhobenen Zuschläge nicht 200 Prozent
erreichen, bis zu einem um die Hälfte höheren Prozentsatze als die Staatseinkommen-
steuer zur Kommunalsteuer herangezogen werden. Die Staatseinkommensteuer kann da-
gegen mit einem geringeren Prozentsatze als die Realsteuern herangezogen oder auch von
Zuschlägen ganz freigelassen werden, solange nicht mehr als 100 Prozent der Real=
steuern erhoben werden. Die Möglichkeit einer stärkeren Heranziehung der staatlichen
Einkommensteuer gegenüber den Realsteuern ist erst gegeben, sobald mehr als 150 Prozent
der Realsteuern erhoben werden, dann können nämlich für jedes weiter erforderliche
Prozent der staatlich veranlagten Realsteuern 2 Prozent der Staatseinkommensteuer
erhoben werden. Eine Notwendigkeit zur stärkeren Heranziehung der Personalsteuern
besteht endlich, sobald 200 Prozent der Realsteuern erhoben werden, da mehr Prozente
der Realsteuern in der Regel nicht erhoben werden dürfen. 7
Innerhalb dieser durch das Gesetz gezogenen Grenzen können die Gemeinden über
die Verteilung des Steuerbedarfs, ohne an die Beobachtung gewisser Grundsätze ge-
bunden zu sein, frei beschließen?; einer Genehmigung bedürfen sie nur, sofern sie die
Staatseinkommensteuer mit Zuschlägen von mehr als 100 Prozent belasten wollen.
Abweichungen von den allgemeinen Verteilungsregeln, zu welchen auch die Erhebung
von Realsteuern über 200 Prozent gerechnet werden muß, sind nur aus besonderen
Gründen zugelassen und bedürfen stets der Genehmigung.
Bei der Erwägung der Erteilung oder Versagung der Genehmigung ist — sowohl,
wenn es sich um Zuschläge über 100 Prozent als auch, wenn es sich um Abweichungen
handelt, — davon auszugehen, daß das Prinzip von Leistung und Gegenleistung soweit
als möglich verwirklicht werden soll; sie wird daher zu erteilen sein, wenn dieses durch
Anwendung der gewöhnlichen Verteilungsregeln nicht erreicht werden kann, wenn also
1 K. A. G., §s. 54; Ausf. Anw., Art. 39, II,hmigung bedürfen, also bei Erhebung von
ber-
1; Mot. z. K. A. G., S. 62, 63. Vgl. auch die
M. Erlasse v. 22. Jan.. 18. März u. 10. Mai
1895 (V. M. Bl., S. 33, 118 u. 120; inhalt-
lich mitgereilt bei Nöll, S. 195, Anm. 6).
* Dies nimmt wohl auch Nöll an, Komm.,
S. 197, Anm. 6. Anders dagegen die Grundz.,
IIIB, e, 4, letzter Abs., welche auch innerhalb
dieser Schranken die freie Entschließung der Ge-
meinden an gewisse Grundsätze gebunden wissen
wollen, und wohl auch die Ausf. Anw., Art. 39,
II, 2: „Die Bewegung innerhalb dieses Spiel=
raums darf aber keine willkürliche sein.“. „Im
allgemeinen sind folgende leitende Gesichtspunkte
festzuhalten ...“ Das Gesetz stellt aber weitere
Grundsätze oder leitende Gesichtspunkte nur für
die „beiden"“ Fälle auf, in welchen die Ge-
meinden zur Steuerverteilung besonderer Ge-
Zuschlägen über 100 Prozent und bei
schreitung der gezogenen Grenzen (s. 55). Anders
der Regierungsentwurf, hier fehlte in §. 46
(ietzt §. 55) der Eingang „in beiden Fällen“
bei Abs. 2, und es waren daher die hier ange-
gebenen Grundsätze für die Gemeinden auch bei
der Steuerverteilung innerhalb des ihnen nach
8. 45 (jetzt §. 54) gelassenen Spielraums bin-
dend. Gezwungen können die Gemeinden zur
Beobachtung der in §. 55, Abs. 2, aufgestellten
Grundsätze jedenfalls nicht werden, sofern nicht
einer der beiden in Abs. 1 daselbst bezeichneten
Fälle vorliegt; Üüber diese hinaus haben die Auf-
sichtsbehörden keine Einwirkung auf die Ent-
schließung der Gemeindeorgane. Komm. Ber.
des A. H., S. 88, 89; Stenogr. Ber. des A. H.,
S. 2136.
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