Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

270 Zweiter Abschnitt. (8. 70.) 
g. 70. 
bb) Die übrigen indirekten Gemeindesteuern.! 
In der Erhebung der nicht unter die Verbrauchssteuern fallenden indirekten Abgaben 
sind die Gemeinden gesetzlich nicht beschränkt. Das Kommunalabgabengesetz erwähnt von 
diesen Abgaben nur die Lustbarkeits= und die Hundesteuer, hierher gehören aber auch 
noch andere Luxussteuern und die Berkehrssteuern. Sie alle sind besondere Gemeinde= 
steuern und bedürfen daher der Regelung durch Steuerordnungen. Zur Entrichtung 
aller dieser Abgaben ist jeder verpflichtet, der das steuerbelastete Objekt im Gemeinde- 
bezirke besitzt oder die fragliche Handlung innerhalb desselben vornimmt.? 
I. Die Lustbarkeitssteuer? kann auf alle im Gemeindebezirke veranstalteten Lust- 
barkeiten gelegt werden. Der Begriff der Lustbarkeit ist im Gesetz nicht bestimmt und 
läßt sich erschöpfend wohl überhaupt nicht definieren.“ Unter ihn fallen einmal Ver- 
anstaltungen, bei welchen alle Teilnehmer durch gemeinschaftliche Thätigkeit sich belustigen 
und amüsieren, so besonders die Tanzvergnügungen, sodann aber auch Veranstaltungen, 
bei welchen von bestimmten ausführenden Personen anderen, den Zuschauern oder Zu- 
hörern, zur Ergötzung oder Unterhaltung gewisse Leistungen, wie Musik, Gesang, Vor- 
träge oder sonstige künstlerische Produktionen, vorgeführt werden; letztere sind Lustbarkeiten 
eigentlich nur in Beziehung auf die passiven Teilnehmer.* Alle diese Veranstaltungen 
können von den Gemeinden einer Besteuerung unterworfen werden, gleichgültig ob sie 
öffentlich sind é oder ob sie einen privaten Charakter haben, d. h. nur einem bestimmt 
begrenzten Kreise von Personen zugänglich sind?, gleichgültig auch, ob bei ihnen ein 
  
1 Leidig, S. 301; v. Möller, St., Ss. 101, 
103; L., §§. 81, 82; Steffenhagen, 88. 124; 
Grotefend, S. 260 b u. c. 
2 Vgl. vorige S., Anm. 2. 
t K. A. G., §. 15; Auss. Anw., Art. 11. Alteres 
Recht: Das A. L. K. schrieb die Erhebung von 
Lustbarkeitssteuern unter gewissen Voraussetzungen. 
und Beschränkungen vor: Nach §. 27, Tl. II, 
Tit. 19, sollten bei Unzulänglichkeit der zu 
Armenzwecken verfügbaren Stiftungsmittel 
und Kollektenerträge die Kommunen unter 
Genehmigung des Staates berechtigt sein, „den 
Luxus, die Ostentation und die öffentlichen 
Belustigungen ihrer wohlhabenden Ein- 
wohner mit gemäßigten Taxen zu belegen“. 
§. 74 des Ges. v. 8. März 1871, betr. die 
Ausführung des R. G. über den Unterstützungs- 
wohnsitz (G. S., S. 151), hob alle gesetz- 
lichen Bestimmungen, welche die Erhebung einer 
Abgabe von öffentlichen Lustbarkeiten zu Armen- 
zwecken vorschrieben, auf, erklärte jedoch zu- 
gleich, daß durch diese Bestimmung die Befug- 
nis der Gemeinden, die Einführung oder Fort- 
erhebung solcher Abgaben nach Maßgabe der 
Gemeindeverfassungsgesetze zu beschließen, nicht 
berührt werde. Alle älteren, nicht lediglich auf den 
aufgehobenen Gesetzen, sondern auf rite gefaß- 
ten Gemeindebeschlüssen berubenden Lustbarkeits- 
abgaben konnten also forterhoben, auch konnten 
neue eingeführt werden; die Praxis war aber 
eine überaus schwankende, besonders betreffs der 
Besteuerung öffentlicher Tanzlustbarkeiten. Vgl. 
die zahlreichen älteren Ministerialerlasse bei 
v. Rönne, Preuß. St. R. (4. Aufl.), IV, S. 181, 
Anm. 1, die jedoch ihre Bedeutung verloren haben. 
  
O. V. G. (in einer Entsch. v. 10. Sept. 1885, 
XII. S. 147) erklärten dann die Erhebung einer 
Abgabe zur Armenkasse von öffentlichen wie von 
nicht öffentlichen Lustbarkeiten für nicht 
gesetzwidrig. Derselbe Gerichtsbof hielt end- 
lich in einer anderen Entsch. (v. 17. Juni 1885, 
XII, S. 152), auch die Erhebung einer Armen- 
steuer von öffentlichen S#tustharketen der 
Minderbemittelten (8§s. 27 cit. A. L. R. 
spricht nur von den Belustigungen der wobl- 
habenden Einwohner) nicht für unzulässig. So 
war bereits vor Erlaß des K. A. G. den Ge- 
meinden in weitem Umfange das Recht zur Er- 
hebung von Lustbarkeitssteuern zuerkannt. 
* Val. Leuthold die Artikel: „Lustbarkeiten“ 
und „Tanzlustbarkeiten“, in v. Stengels Wörter- 
buch, II, S. 59 u. 613, und „Lustbarkeiten“ und 
„Schaustellungen“, im Rechts-Lexikon (3. Aufl.), 
II, S. 684, u. III, 539. 
5 Nicht als Veranstaltung einer Lustbarkeit 
kann dagegen das bloße Halten eines Klaviers 
angesehen werden, und es ist daher eine Be- 
steuerung desselben unzulässig. M. Erl. v. 
22. Dez. 1894 (Mitteilungen aus der Verwal- 
tung! der direkten Steuern, Nr. 30, S. 116). 
über. den Be srif der Sistenel. Lustvarkeit 
vgl. O. VIII, S. 422; XXII, S. 
415 ff.; Krön. S. 48: * Erl. v. 23. Febr. 
1889 (V. M. Bl., S. 38); Nöll, S. 40, 
Anm. 3. 
7 Die Besteuerung nicht öffentlicher Lustbar- 
keiten war auch schon vor Erlaß des K. A. G. 
zulässig; siehe die vorstehende Anm. 3, jedoch 
auch den M. Erl. v. 23. Febr. 1889 und Ausf. 
Anw., Art. 11. 
Ein M. Erl. v. 14. April 1885 und auch das 1
	        
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