Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 70.) 271 
höheres wissenschaftliches oder Kunstinteresse obwaltet oder nicht. Eine private von 
einem Einzelnen oder einem Vereine veranstaltete Tanzgesellschaft kann rechtlich ebenso 
gut besteuert werden wie ein großer öffentlicher Ball oder ein Tanzvergnügen im Wirts- 
hause, ein großes stehendes Theater? oder Konzerthaus ebenso wie umherziehende 
Künstler und Musiker.s Es ist den Gemeinden überlassen, unter Berücksichtigung der 
örtlichen Verhältnisse den Kreis der Lustbarkeiten, welche sie besteuern wollen, selbst zu 
bestimmen, und es wird eine wichtige Aufgabe der Aufsichtsbehörden sein, bei Bestätigung 
der diesbezüglichen Steuerordnungen" darauf zu sehen, daß hier keine allzu groben Miß- 
griffe stattfinden, insbesondere, daß nicht durch zu weit gehende Besteuerung privater Lust- 
barkeiten eine Belästigung des Publikums und ein Eindringen in private Verhältnisse 
hervorgerufen wird, und daß nicht durch übermäßige Belastung von Vorträgen, Schau- 
stellungen u. s. w., bei welchen ein höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft ob- 
waltet, diese selbst unterdrückt werden. 
Die Lustbarkeitssteuer kann sowohl direkt von allen Teilnehmern der Lustbarkeit 
erhoben oder auch dem, der die Lustbarkeit veranstaltet oder in seinen Räumen stattfinden 
läßt, dem Theaterdirektor oder dem Gastwirt, uuferlegt werden. 
Steuern dürfen auf eine Lustbarkeit nicht gelegt werden, wenn für eine ordnungs- 
und feuerpolizeiliche Beaufsichtigung derselben Verwaltungsgebühren erhoben werden.“ 
II. Luxusstenern sind Abgaben, welche auf den Gebrauch oder Besitz gewisser nicht 
zur Befriedigung notwendiger Lebensbedürfnisse dienenden Vermögensgegenstände gelegt 
werden.' Früher wurden häufiger vom Staat wie auch von den Gemeinden Abgaben 
für das Halten von männlichen Bedienten, Wagen, Reit= eder Kutschpferden und anderen 
Luxusgegenständen erhoben; heute hat der Staat auf diese Steuern, deren Kontrolle 
immer eine schwierige und deren Ergiebigkeit immer nur eine geringe ist, gänzlich ver- 
zichtets; den Gemeinden sind sie jedoch ohne besondere gesetzliche Einschränkung freigegeben.? 
Eine größere Bedeutung hat von den Luxussteuern nur die kommunale Hundesteuer, 
für deren Erhebung auch der polizeiliche Zweck einer Verminderung des Besitzes von 
Hunden mitspricht 10; auch diese ist gegenwärtig ganz in das Ermessen der Gemeinden 
gestellt, das Kommunalabgabengesetz hat alle bisher bestehenden gesetzlichen Normen über 
  
1 Über den Zweck der Vorschrift des K. A. G. 
vgl. Ausf. Anw., a. a. O., und Mot. zu §. 11 
des Entw. 
* Komm. Ber. des A. H., S. 21; Nöll, S.40, 
Anm. 3; Strutz, S. 65, Anm. 3. Als eine 
Luntbarkeitssteuer auf Theater kann man die von 
Adickes, S. 319, erwähnte, in Frankfurt a. M. 
bestehende Theaterbilletsteuer ansehen. 
2 Über diese vgl. jedoch M. Erl. v. 23. Dez. 
1880 (V. M. Bl. 1881, S. 28). 
* Va0 das am Schluß der Ausf. Anw. befind- 
liche Muster einer Lustbarkeitssteuerordnung bei 
Nöll, S. 430, bei Strutz, S. 387, und den 
M. Erl. v. 27. Febr. 1890 (V. M. Bl., S. 43), 
in welchem gewisse, von den Behörden bei der 
Beftätigung zu beachtende Punkte angegeben sind. 
5 O. V. G., XII, S. 152. Meint G. Meyer, 
Verw. R., II, S. 300 Z. 3, daß stets nur die 
Veranstalter, nicht aber die Teilnehmer steuer- 
pflichüs sind? 
K. A. G., §. 6. 
7 Vgl. die verchiedenen Lehrbücher der Finanz= 
wissenschaft, z. B. Roscher, S. 433 ff., 746; 
Wagner, . ð* 562 ff.; Schall in Schön- 
bergs Hdbch., III. S. 426 *2 z ferner auch Lei- 
dig, S. 363 ff.; G. Meyer, Verw. R., II, 
S. 198, 217, 259; v. Mayr, Art. „uxus- 
steuern“, in v. Stengels Wörterbuch, II, S. 
61 ff., dort auch weitere Litteraturangaben. 
6 Die nach dem Ed. v. 28. Okt. 1810, der 
Dekl. v. 14. Sept. 1811 und der Kab. Ordre 
  
v. 16. Juli 1812 angeordneten Luxusabgaben 
für das Halten von männlichen Bedienten, 
Luxuspferden u. s. w. wurden durch die Vdg. v. 
2. März 1814 abgeschafft. 
°" Grundz. zum K. A. G., IIIA, 3. 5. Der 
Staat kann jedoch jede unzweckmäßige und das 
Publikum zu sehr belästigende Ausdehnung 
dieser Steuern verhindern, indem jede Neue- 
rung in ihnen seine Genehmigung voraussetzt, 
K. A. G., §§. 18, 77, Abs. 3a. Die Genehmi- 
gung ist versagt worden zu Steuern auf das 
Halten von Klavieren, Fahrrädern, Equipagen 
Pferden u. s. w. (M. Erl. v. 22. Dez. 1894 
[Mitteilungen aus der Verwaltung der dir. 
Steuern, Nr. 30, S. 116r) und zu Steuern auf 
das Halten von Tauben, Enten, Gänsen und 
Katzen (M. Erl. v. 9. März 1895 (V. M. Bl., 
S. 115)|. 
1% Dasselbe gilt noch mehr von der auf das 
Halten von Singvögeln, besonders Nachtigallen, 
gelegten Steuer, die gleichfalls von Gemeinden 
erhoben werden kann. Vgl. Nöll, S. 3, Anm. 5; 
Stenogr. Ber. des A. H., S. 2287. Dieselbe wurde 
zuerst zugelassen durch die Kab. Ordre v. 7. Nov. 
1841 und v. 30. März 1842; in den vormals 
großh. hess. Gebietsteilen wurde diese Abgabe 
gleich der Hundesteuer durch Vdg. v. 26. Sept. 
1867 (G. S., S. 1666) als Staatsabgabe auf- 
gehoben und den Kreisvertretungen und Stadit- 
gemeinden überlassen, sie zu Armenzwecken zu 
erheben.
	        
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