Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; das geltende Recht. (8. 71.) 
Annäherung der Besteuerung an eine Belastung der jeweilig wirklichen Grundstücksreinerträge 
muß das Ziel einer gesunden Grundsteuerpolitik sein. 1 Dieses wird bei den vom Staate 
veranlagten Grund= und Gebäudesteuern nur in geringem Umfange erreicht. Die Grund- 
lage und den Maßstab derselben bildet nicht der wirkliche Ertrag der besteuerten Objekte, 
sondern die Ertragsfähigkeit der Liegenschaften, welche nach mehr äußerlichen Merkmalen, 
insbesondere nach dem durchschnittlichen Ertrage eines längeren der Veranlagung voran- 
gehenden Zeitraumes festgestellt wird. Die nach diesen Gesichtspunkten umgelegten 
Grundsteuerbeträge sind unveränderlich, die Veranlagung der Gebäudesteuer wird nur 
alle 15 Jahre revidiert — davon, daß diese staatlichen Veranlagungen immer dem 
jeweiligen Ertrage auch nur annähernd entsprechen, ist also keine Rede. Diesen Mängeln 
soll die Autonomie der einzelnen Gemeinden abhelfen, sie sollen lokale Besteuerungen 
des Grundbesitzes schaffen, welche „rücksichtlich der Veranlagung die thunlichste Anpassung 
an die Gegenwart“ und gleichzeitig „hinsichtlich der Höhe der Besteuerung eine dem 
wechselnden Steuerbedarf entsprechende Beweglichkeit ... gewährleisten“. 
II. Das Gesetz selbst giebt nur wenige Vorschriften über die besonderen Steuern 
vom Grundbesitz, es führt nur beispielsweise einige Maßstäbe für ihre Umlegung 
an. Diese soll vornehmlich erfolgen können nach dem Reinertrage bezw. Nutzungs- 
werte eines oder mehrerer Jahre, nach dem Pacht= bezw. Mietswerte, nach dem gemeinen 
Werte? der Grundstücke und Gebäude, nach den in der Gemeinde stattfindenden Ab- 
stufungens des Grundbesitzes oder nach einer Verbindung mehrerer dieser Maßstäbe“; 
es ist jedoch auch die Anwendung anderer Maßstäbe nicht ausgeschlossen, eine besondere 
Grundsteuer könnte z. B. nach dem Areal, dem in Westpreußen üblichen „Normalmorgen“ 
umgelegt werden, sie könnte auch den staatlichen Umlegemodus im ganzen rezipieren und 
nur einzelne Grundsätze desselben, die für die Gemeindesteuer überhaupt oder gerade 
in der betreffenden Gemeinde unzweckmäßig erscheinen, modifizieren. In der Wahl 
unter den verschiedenen denkbaren Maßstäben haben die Gemeinden freie Hand, jedoch 
unterliegen ihre diesbezüglichen Beschlüsse der Genehmigung der Aufsichtsbehörden, und 
diese haben vor Erteilung der Genehmigung zu prüfen, ob der gewählte Maßstab im 
allgemeinen zweckmäßig und brauchbar und auch den konkreten Verhältnissen der einzelnen 
Gemeinde in geeigneter Weise angepaßt ist.7 
Die Veranlagung einer besonderen Steuer vom Grundbesitz erfolgt durch Gemeinde- 
organe ohne Mitwirkung des Staates.3 
III. Sind besondere Steuern vom Grunbbesitz nicht eingeführt, so erfolgt die 
Besteuerung desselben durch Erhebung von Prozenten der vom Staate veranlagten 
Grund= und Gebäudesteuern. Die staatliche Veranlagung bildet dann die bindende 
Grundlage für die gemeindliche Besteuerung. Jede auf Grund der Einlegung von 
Rechtsmitteln erfolgte Erhöhung oder Ermäßigung der veranlagten Steuer zieht die ent- 
sprechende Abänderung der Veranlagung zur Gemeindesteuer nach sich, und diese ist von 
Amts wegen ohne besonderen Antrag des Pflichtigen zu bewirken. 
Die Veranlagung der Grund= und Gebäudesteuer durch den Staat erfolgt, wenn- 
gleich diese Abgaben für ihn außer Hebung gesetzt sind, nach denselben Vorschriften 
fort, welche bisher bei Heranziehung zu den entsprechenden Staatssteuern anzuwenden 
273 
  
1 Roscher, Finanzwissenschaft, S. 344 ff., 745. 
Bgl. auch hier und zum Folgenden: v. Philip-- 
povich, „Gebäudesteuer“ und „Grundsteuer“, 
in v. Stengels Wörterbuch, S. 462 ff., 611. 
: Über den Begriff des gemeinen Wertes ill- 
A. L. R., Tl. 1, Tit. 2, 9§. 112, 113; Nöll, 
S. 59, Anm. 3. 
: Dahin gehört die Einteilung der Grundbesitzer 
in Vollbauern, Halbbauern, Koffäna, Gärtner, 
—“2 Einspänner, Zweispänner u. s. w. 
. A. G., §. 25. 
* Ausf. Anw., Art. 17, Nr. 1; Stenogr. Ber. 
des A. H., S. 2022, 2024; Strutz, Komm., 
S. 81 ff., Anm. 5; Adickes, Studien, S. 88 ff. 
Uber das Erfordernis der Genehmigung 
Schoen. 
  
vgl. oben S. 246 unter 1, f, und über das Er- 
fordernis der Einführung durch resteuerordnung 
oben S. 265 unter VI. Ein Muster zu einer 
Grundsteuerordnung ist im Anhange der Ausf. 
Anw. mitgeteilt; Nöll, S. 411; Strutz, S.367. 
7 Hält der Bez. A. bezw. Kr. A. einen von der 
Gemeinde beschlossenen Maßstab für unpraktisch 
oder ungeeignet, so ist er befugt und verpflichtet, 
der Einführung desselben seine Genehmigung 
zu versagen, selbst wenn die Gemeinde einen 
der im Gesetz aufgezählten Maßstäbe gewählt 
haben sollte. 
*s Komm. Ber. des A. H., S. 34. Näheres über 
die Veranlagung durch Gemeindeorgane s. unten 
§. 86. 
18
	        
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