20 Zweiter Abschnitt. (F. 4.)
Eine Anderung wurde in diesen Verhältnissen erst durch das Eingreifen der Landes-
herren herbeigeführt, welche gleichfalls durch das Sinken der kaiserlichen Gewalt die
ihrige vermehrt hatten und darauf bedacht waren, die Städte, welche allein ihrer Macht-
entfaltung Widerstand entgegensetzten, ihrer Territorialhoheit zu beugen. In Branden-
burg versuchten bereits die Kurfürsten Friedrich I. und Friedrich II. (sein Kampf gegen
Berlin-Kölln) gegen die Städte vorzugehen, und Joachim erließ 15152 eine allgemeine
Polizeiordnung für die märkischen Städte, welche als erstes Beispiel einer förmlichen
Städteordnung angesehen werden kann. Allein dauernde und durchgreifende Reformen
sind erst vom Großen Kurfürsten vorgenommen. Nicht direkt ging der Große Kurfürst
gegen die Verwaltung der Städte vor, er hat diese vielmehr im allgemeinen unberührt
gelassen. Nur da hat er mit seiner Reformthätigkeit eingesetzt, wo die Zerrüttung der
Lokalverwaltung dem Staatswohl schädlich war, die Lokal= den Landesinteressen gefährlich
waren. Einen besseren militärischen Schutz des Landes und eine gesundere staatliche
Finanzverwaltung hatte er vor allem im Auge; von diesem Gesichtspunkte aus führte
er auch die Garnisonen und die Accise ein, welche für die Entwickelung des Städte-
wesens von der größten Bedentung wurden.
Mit Errichtung der Garnisonen in den Städten trat neben das stadtische
korrumpierte ein landesherrliches, militärisch organisiertes Beamtentum, welches geeignet
war, jenes zu kontrollieren und die Durchführung landesherrlicher Anordnungen even-
tuell zu erzwingen. Die Accise war eine allgemeine indirekte Steuer, welche auf
alle Getränke, Salz, Brot, Fleisch und später auf alle Viktualien gelegt wurde und
im Gegensatz zu der auf jedesmaliger Bewilligung der Stände beruhenden, besonders
auf der niederen Bevölkerung lastenden Kontribution von allen Einwohnern getragen
wurde. Die Verwaltung und Eintreibung der Accise erfolgte durch landesherrliche
Kommissare, welche als reisende Kontrollbeamte den für die Provinz errichteten Kom-
missariaten unterstellt waren und von denen jeder eine bestimmte Anzahl Städte unter sich
hatte. Aus ihnen haben sich die Steuerräte entwickelt, welchen immer weiter gehende Eingriffe
in die städtische Verwaltung eingeräumt wurden, bis sie endlich unter Friedrich Wilhelm I.
und Friedrich II. (Instruktion von 1766)“ die eigentlichen Leiter derselben wurden.
Die vom Großen Kurfürsten angebahnten Bestrebungen, Vernichtung der Selbst-
ständigkeit der Städte und Unterordnung derselben unter die Hoheit des Staates, wurden
von Friedrich Wilhelm I. in vollstem Maße verwirklicht. Durch zahlreiche Verordnungen,
sogen. rathäusliche Reglements?, regelte er die Verwaltung der einzelnen Städte auf das
eingehendste; er bestimmte die Anzahl der Magistratsstellen und ihre Besetzung, er setzte
jeden städtischen Etat fest und entschied allein über die Notwendigkeit der Ausgaben und
Deckung der Schulden. Die staatlichen Beamten wurden in weiterem Umfange an der
städtischen Verwaltung beteiligt. Nicht nur für eine ordentliche Accise= und Zollverwaltung
haben die Steuerräte zu sorgen, ihrer Aufsicht untersteht die ganze städtische Bau-, Maß-,
Gewichts-, Gesundheits= und Lebensmittelpolizei, das Gewerbe-, das Ansiedelungswesen und
die Armenpflege, und in höheren Instanzen werden die Städte von den neu eingerichteten
Kollegialbehörden, den Kriegs= und Domänenkammern und dem Generaldirektorium (1723),
beaufsichtigt. So war die Selbstverwaltung der Städte völlig negiert, aus freien kom-
munalen Gebilden waren staatliche Verwaltungsbezirke geworden. In dieser Stellung
verblieben die Städte bis zum Anfange dieses Jahrhunderts, das Allgemeine Landrecht
hat hierin eine prinzipielle Anderung nicht herbeigeführt, seine Bedeutung besteht viel-
mehr lediglich darin, daß es zum erstenmal ein für die ganze preußische Monarchie
geltendes, einheitliches 8 Städterecht kodifiziert hat.
1 Schmoller, 1871, S. 725; Gierke,
a. a. O., S. 706; Bornhack, Gesch., I. S. 139.
Über den Inbalt der Instr. vgl. Schoen,
a. a. O.,
2# Mylius, C. C. M., Nachlese, S. 1; vgl.
auch Fidicin, Dipl. Beiträge, L, es 3, Nr. 1.
Den Inhalt dieser wie einer späteren auf die
Städte bezüglichen Polizeiverordnung des Mark-
grafen Johann v. 1540 giebt in Kürze Leidig
in seinem Preußischen Stadtrecht (Berlin 1891),
S. 16, Anm. 1, wieder.
* Bornhack, Gesch., I, S. 260 ff.
Einige vesseiien sind herausgegeben von
Schmoller, a. a. O., 1875. ber ihren
wesentlichsten Inhalt vai. Schoen, a. a. O.,
S. 726.
* Dabei ist jedoch wohl zu bemerken, daß
das A. L. R. nur subsidiäres Recht war,
daneben aber eine unübersehbare Verschieden-
heit der Stadtrechte fortbestand.