Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Provinzialgemeinden; das geltende Recht. (. 131.) 441 
zu machen. Die infolge solcher Veränderung erforderliche Regelung der Verhältnisse ist, 
unbeschadet aller Privatrechte Dritter, durch den Minister des Innern zu bewirken und 
hierbei entstehende Streitigkeiten sind vom Oberverwaltungsgericht zu entscheiden. 
B. Die persönliche Grundlage. 
Provinzialangehörige sind alle Angehörigen der zu der Provinz gehörigen Kreise.? 
Die Provinzialangehörigkeit ist also lediglich eine Folge der Kreisangehörigkeit. Letztere 
besitzen zunächst alle diejenigen, welche in einem zu der Provinz gehörigen Kreise einen 
Wohnsitz haben, und in weiterem Sinne auch die sogen. Kreisforensen; auch diese sind 
als Angehörige der Provinz zu betrachten und teilen die Rechte und Pflichten derselben. 
(Provinzialforensen.) 3 
Die Provinzialangehörigen sind berechtigt: 
1) zur Teilnahme an der Verwaltung und Vertretung des Provinzialverbandes; 
2) zur Mitbenutzung seiner öffentlichen Einrichtungen und Anstalten nach Maßgabe 
der für dieselben bestehenden Bestimmungen, welche auch dahin gehen können, daß sie 
nur von den Angehörigen gewisser Teile der Provinz benutzt werden dürfen. 
Die Provinzialangehörigen sind verpflichtet, zu den Provinziallasten nach näherer 
Vorschrift der Provinzialordnungen beizutragen.“ Eine Verpflichtung der Provinzial- 
angehörigen zur Übernahme unbesoldeter Provinzialämter, analog der der Kreisange- 
hörigen zur Übernahme unbesoldeter Kreisämter, besteht nicht ?, und sie ist, wie die 
Motive der Provinzialordnung von 1875 ergeben, absichtlich deshalb nicht ausgesprochen 
worden, weil es nicht unbedenklich erschien, den Zwang zum Civilehrendienste auch auf 
solche Leistungen auszudehnen, welche eine längere Abwesenheit und eine weitere Ent- 
fernung vom Wohnorte bedingen als die Wahrnehmung der Kreisämter, und weil auch 
die Erwartung berechtigt erschien, daß es auch ohne Zwang an geeigneten und bereiten 
Kräften für die Übernahme unbesoldeter Provinzialämter nicht mangeln werde.“ 
Die größeren Umständlichkeiten, welche die Verwaltung aller Provinzialämter für 
den Einzelnen mit sich bringt, rechtfertigen es auch, daß nicht nur wie beim Kreise den 
Inhabern von Verwaltungsämtern (Mitgliedern des Provinzialausschusses oder der Pro- 
vinzialkommissionen), sondern auch den Mitgliedern des Provinziallandtages eine ihren 
baren Auslagen entsprechende, vom Provinziallandtage festzusetzende Entschädigung? ge- 
währt wird. 
  
1 Prov. O., §. 4; hesfs.-nass., §. 2; für Posen, 
Ges. v. 19. Mai 1889, Art. V, A., 5. Bei Grenz- 
veränderungen findet, nachdem der Minister 
die Verbältnisse geregelt hat, eine provisorische 
Entscheidung der Streitigkeiten im Verwaltungs- 
wege wie bei den Kreisen durch Beschlußfassung 
des Bez. A. nicht statt. Es bleibt vielmehr der 
status quo so lange maßgebend, bis einer der 
beteiligten Provinzialverbände den Verwaltungs= 
rechtsweg beschreitet. 
: Prov. O., §. 5; hess.-nass., §. 3; A. u. L. O. 
hohenz., §. 50. 
* v. Brauchitsch, II, S. 203, Anm. 11; 
v. Stengel, Organisation, S. 290 ff. 
* Prov. O., 8§. 6 u. 7; hess.-nass., 8§. 4 u. 5 
A. u. L. O. hobenz., §. 51. Die Teilnahme der 
Provinzialforensen, welche immer zugleich Kreis- 
forensen sind, an den Rechten und Pflichten 
der eigentlichen Provinzialangehörigen ist ver- 
schieden nach dem Grunde ihrer Forensalqualität. 
Zur Beitragung zu den Provinziallasten sind 
alle verpflichtet, weil diese Lasten auf die ein- 
zelnen zur Provinz gehörigen Kreise kontin- 
gentiert und von ihnen schon als kreisabgaben- 
Ppflichtigen Kreisforensen aufgebracht werden. An 
der Vertretung und Verwaltung der Provinz 
  
als Provinziallandtags= oder Provinzialaus- 
schußmitglieder können aber nur diejenigen teil- 
nehmen, deren Forensalqualität durch Grund- 
besitz in der Provinz begründet ist, nicht auch 
diejenigen, welche wegen des Betriebes eines 
stehenden Gewerbes in der Provinz Kreis= und 
Vrovinzialforensen sind. Prov. O., §. 17, Abs. 1, 
und S. 47, Absl. 4 
9 Ausgenommen in Hohenzollern: den 
hohenz. Landesangehörigen liegt die gleiche Ver- 
pflichtung zur Teilnahme an der Vertretung 
und Verwaltung des Landeskommunalverbandes 
ob, wie den Angehörigen eines Oberamtsbezirks 
binsichtlich der Amtsverwaltung. A. u. L. O. 
hohenz., §. 51. 
6 Drucks. des A. H. von 1875, Nr. 170; 
v. Brauchitsch, II, S. 203, Anm. 9q 
7 Prov. O., S. 100; hess. #nass., & 13; für 
Posen, Vdg. v. v Nov. 1889, §. 34. A. u. 2. O. 
hohenz.) §. 87. Diese Entschädigung 8 ab- 
gesehen von den Reisekosten in Form eines 
Pauschquantums (Diäten) erfolgen und braucht 
nicht auch den am Versammlungsort des Pro- 
vinziallandtages seßhaften Abgrerdnern Se 
zu werden. Vgl. v. Brauchitsch, 1 
Anm. 88.
	        
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