Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

444 Bierter Abschnitt. (F. 132.) 
Die Wählbarkeit geht verloren, sobald eines der genannten Erfordernisse bei dem 
bis dahin Wählbaren nicht mehr zutrifft. Sie ruht während der Dauer eines Kon- 
kurses, ferner während der Dauer einer gerichtlichen Untersuchung, wenn dieselbe wegen 
Verbrechen oder wegen solcher Vergehen, welche den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte 
nach sich ziehen müssen oder können, eingeleitet oder wenn eine gerichtliche Haft ver- 
fügt ist.) 
II. Der Landtag wird alle sechs Jahre gänzlich neu gewählt; ein periodisches 
Ausscheiden eines Teiles der Mitglieder findet nicht statt. Ersatzwahlen für diejenigen 
Abgeordneten, welche im Laufe der Wahlperiode ausgeschieden sind oder deren Wählbarkeit 
ruht?, müssen innerhalb längstens sechs Monaten, womöglich vor dem Zusammentritte 
des nächsten Landtages und stets von denjenigen Land= und Stadtkreisen vorgenommen 
werden, von welchen die zu ersetzenden Abgeordneten gewählt waren. 
Die Vornahme der erforderlichen Wahlen wird durch den Oberpräsidenten an- 
geordnet, ihre Vollziehung erfolgt nach dem der Provinzialordnung beigegebenen Wahl- 
reglement.“ Danach besteht der Wahlvorstand aus dem vom Oberpräsidenten ernannten 
Wahlkommissar, dem Landrat, dem Bürgermeister oder deren Stellvertreter als Vor- 
sitzenden und aus zwei oder vier Beisitzern, welche von der Wahlversammlung aus der 
Zahl der Wähler zu wählen sind; einen der Beisitzer ernennt der Vorsitzende zum 
Protokollführer. 
Während der Wahlhandlung dürfen im Wahllokale weder Diskussionen stattfinden 
noch Beschlüsse gefaßt werden, ausgenommen die durch die Leitung des Wahlgeschäftes 
bedingten Diskussionen und Beschlüsse des Wahlvorstandes. Die Wahl erfolgt durch 
Stimmzettel, welche die Wähler, nach der in der Wählerliste angegebenen Reihenfolge 
aufgerufen, uneröffnet in die Wahlurne legen. Die während des Wahlaktes erscheinenden 
Wähler können an der nicht geschlossenen Wahl teilnehmen. Sind keine Stimmen mehr 
abzugeben, so erklärt der Wahlvorstand die Wahl für geschlossen; der Vorsitzende nimmt 
die Stimmzettel einzeln aus der Wahlurne und verliest die darauf verzeichneten, von 
einem Beisitzer laut zu zählenden Namen. Ungültige Stimmzettel — das sind diejenigen, 
welche 1) keinen oder keinen lesbaren Namen, 2) einen Protest oder Vorbehalt enthalten, 
3) den Namen des Gewählten nicht unzweifelhaft erkennen lassen, 4) mehr Namen als 
zu wählende Personen 3 oder den Namen einer nicht wählbaren Person enthalten — 
werden als nicht abgegeben betrachtet. Über die Gültigkeit der Stimmzettel entscheidet 
vorläufig der Wahlvorstand. Dieselben sind dem vom Wahlvorstande zu unterzeichnenden 
Wahlprotokolle beizufügen und so lange aufzubewahren, bis über die gegen das Wahl- 
verfahren erhobenen Einsprüche rechtskräftig entschieden ist. Als gewählt sind diejenigen 
zu betrachten, welche die absolute Stimmenmehrheit (mehr als die Hälfte der Stimmen 
erhalten haben. Ergiebt sich keine absolute Stimmenmehrheit, so wird zu einer engeren 
Wahl zwischen denjenigen zwei Personen geschritten, welche die meisten Stimmen erhalten 
haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Vorsitzenden zu ziehende Los darüber, 
wer auf die engere Wahl zu bringen, bezw. wer als schließlich gewählt zu erachten ist. 
Der Vorsitzende hat die Gewählten von der auf sie gefallenen Wahl mit der Auf- 
forderung in Kenntnis zu setzen, sich über die Annahme oder Ablehnung innerhalb 
— 
  
1 Prov. O., §. 18; hess.-nass., §. 15. 
: Obauch für diejenigen Abgeordneten, deren 
Wählbarkeit nur ruht, die also nicht definitiv 
aus der Versammlung ausgeschieden sind, ein 
Ersatzmann zu wählen ist, wird bezweifelt. Allein 
man wird diese Frage mit v. Brauchitsch, 
Bd. II. S. 209, Anm. 32, und v. Stengel, 
S. 297, deshalb bejahen müssen, weil nach 
§. 19, Abs. 2 der Prov. O. die Wahl des Be- 
treffenden hier wenigstens vorübergehend ihre 
Wirkung verliert, also das betreffende Mandat 
zeitweise erledigt ist. 
2 Prov. O., §. 19, Abs. 1, u. §. 22; hess.= 
nass., §. 16, Abs. 1, u. §. 19. 
* Prov. O., §§. 20, 16; hess.-nass., §. 13, 17. 
* Im Gegensatze zu der Bestimmung des 
  
§. 6, Z. 4 des den Kr. Ordugn. beigegebenen 
Wahlreglements, nach welcher jeder Kreistags 
abgeordnete in besonderem Wahlgange zu wählen 
ist, kann eine Mehrzahl von Provinzialland- 
tagsabgeordneten in einem Wahlgange gewählt 
werden. Es können daher sehr wohl Stimm- 
zettel gültig mehrere Namen enthalten, wenn 
mehrere Personen auf einmal zu wählen sind, 
jedoch sind sie ungültig, wenn sie mehr Namen 
enthalten, als überhaupt Personen zu wählen 
sind. §. 6, Z. 3 des Wahlreglements zur Prov. O. 
u. O. V. G., Bd. VIII. S. 11. — Eine Wahl 
durch Akklamation ist unzulässig, weil die Wahl 
nach der ausdrücklichen Vorschrift des §. 3 des 
Reglements durch Stimmzettel zu erfolgen hat.
	        
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