Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

456 Vierter Abschnitt. (8. 137.) 
Geschäfte durch den Landesdirektor bezw. bis zum Eintritte der eben erwähnten kom- 
missarischen Verwaltung; weder dieser Stellvertreter noch der kommissarische Verwalter 
sind aber — außer in Posen! — berufen, den Landesdirektor als Mitglied des Aus- 
schusses zu vertreten.? 
In Hannover tritt an Stelle des Landesdirektors ein aus einem Landesdirektor 
und zwei sogen. Schatzräten bestehendes Landesdirektorium, welches alle Geschäfte, 
die nicht durch den Provinzialausschuß ausdrücklich dem Landesdirektor zur alleinigen Er- 
ledigung überwiesen sind, durch kollegialische Beschlußfassung erledigt. Der Landesdirektor 
führt den Vorsitz im Kollegium, er kann Beschlüsse desselben, die er für besonders nach- 
teilig hält, bis zum Zusammentritt des Provinzialausschusses beanstanden und diesem zur 
Entscheidung vorlegen. Der gesetzliche Stellvertreter des Landesdirektors ist der erste 
Schatzrat. Im übrigen gelten für das Landesdirektorium dieselben Vorschriften wie für 
den Landesdirektor in den anderen Provinzen.5 
2) Der Geschäftskreis des Landesdirektors (Landesdirektoriums) wird nach den 
Provinzialordnungen dahin bestimmt, daß er (es) unter Aufsicht des Ausschusses 
die laufenden Geschäfte der kommunalen Verbandsverwaltung zu besorgen und die Be- 
schlüsse des Ausschusses vorzubereiten und auszuführen hat.“ Er (es) ist also einmal 
lediglich Exekutivorgan des Ausschusses, andererseits aber auch befugt, aus eigener Ini- 
tiative Maßnahmen zu ergreifen, welche sich als „laufende Geschäfte"“ charakterisieren. Der 
Begriff der laufenden Geschäfte ist gesetzlich nicht definiert, und es ist daher alles das- 
jenige hierher zu rechnen, was der Beschlußfassung des Ausschusses nicht ausdrücklich 
überwiesen ist, bezw. was dieser noch nicht selbst an sich gezogen hat. Die Abgrenzung 
des Geschäftskreises des Landesdirektors (Landesdirektoriums) liegt in der Hand des Aus- 
schusses. Dieser verwaltet prinzipiell alle Angelegenheiten des Verbandes und kann 
daher auch über alles Beschlüsse fassen, die für den Landesdirektor (das Landesdirek- 
torium) bindend sind, ohne daß diesem die Befugnis zusteht, eine Angelegenheit als 
„laufendes Geschäft“ für seine ausschließliche Kompetenz in Anspruch zu nehmen. Daher 
unterliegt auch jede Thätigkeit des Landesdirektors (Landesdirektoriums), selbst die bei 
Erledigung „laufender Geschäfte“ entwickelte, der Anfsicht des Ausschusses. Der Landes- 
direktor steht, wenngleich er Mitglied des Ausschusses ist ?, als kontrollierter Beamter 
außerhalb des Ausschusses und unter demselben. Der Ausschuß kann alle Verfügungen 
des Landesdirektors (Landesdirektoriums) auf Beschwerde wie von Amts wegen abändern 
und aufheben.“ In diesem Verhältnis der beiden Organe wird auch dadurch nichts ge- 
ändert, wenn in einzelnen Provinzialreglements für bestimmte Angelegenheiten die Zu- 
ständigkeit des Ausschusses einerseits und die des Landesdirektors andererseits genau um- 
schrieben ist. Hierdurch ist nur für den Landesdirektor der Geschäftskreis festgesetzt, 
innerhalb dessen er ohne Beschlußfassung des Ausschusses thätig werden darf, nicht aber 
kann durch solche Vorschrift dem Ausschusse eine Grenze gezogen werden, durch welche 
ihm ein weiterer Eingriff in die Kompetenz des Landesdirektors oder gar die Beaufsich- 
tigung desselben entzogen wird.7 
Der Landesdirektor (das Landesdirektorium) ist ferner der Dienstvorgesetzte sämt- 
licher Provinzialbeamten. Er vertritt den Provinzialverband nach außen in allen An- 
gelegenheiten, insbesondere auch da, wo die Gesetze eine Spezialvollmacht verlangen. Er 
verhandelt namens des Verbandes mit Behörden und Privatpersonen, führt den Schrift- 
wechsel und zeichnet alle Schriftstücke. Urkunden jedoch, mittels deren der Provinzial- 
  
1 Der Stellvertreter bedarf hier der Bestäti- 
gung des Ministers des Innern. 8. 22, Abs. 2 
der Vdg. v. 5. Nov. 1889. 
2 Prov. O., §§. 87—89; hessf.-nass., 8§. 60 
* Prov. O., §. 90, Abs. 1; hess.-nass., §. 63 
Abs. 1; für Posen Vdg. v. 5. Nov. 1889, §. 24, 
Abs. 1; A. u. L. O. beben., . 74, Abs. 1. 
Val. bierüber oben S. 42. 
— 62; für Posen Vdg. v. 5. Nov. 1889, 
88. 21 - 23. 
Die drei Mitglieder des Landesdirektoriums 
werden auf 6—12 Jahre gewählt, einer Be- 
stätigung bedarf nur der Landesdirektor; alle 
drei Mitglieder werden vom Oberpräsidenten in 
ihr Amt eingefübrt und vereidigt. Prov. O. 
hann., §§. 87—89, 90, Abs. 4, 6 u. 7 
  
* Vgl. oben S. 452, Anm. 6. 
7 Stenogr. Ber. des io H. 1875, S. 1153 ff.; 
v. Brauchitsch, II, S. 224, Anm. 71; auch 
E. Meyer, a. a. O., S. 1208. 
§s Auch zur Prozeßführung namens des Pro- 
vinzialverbandes ist der Landesdirektor nach außen 
legitimiert. O. V. G., XIV, S. 1.
	        
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