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diesen belehnten Fürsten, geistlichen und weltlichen Grundherren zu. Diese vergaben
den Grund und Beden an Eingeborene und deutsche Einwanderer zu bestimmten Rechten.
Die Modalitäten der Verleihung waren in den einzelnen Gegenden mehr oder weniger
verschieden. Auf sie ist im Folgenden näher einzugehen, da der historische Entwickelungs-
gang der ländlichen Besitz= und Verfassungsverhältnisse in diesen Landesteilen mehr als
anderswo für ihre heutige Gestaltung bestimmend gewesen ist.
In Brandenburg und inedem Gebiete der heutigen Provinz Sachsen entwickelten
sich die ländlichen Verhältnisse vorzüglich nach den betreffenden Rechtsgrundsätzen des
Sachsenspiegels. Nachdem die Askanier die Marken erobert hatten, besiedelten sie die-
selben mit niederdeutschen und besonders mit flämischen Einwanderern. Die Gründung
der Dörfer erfolgte gewöhnlich nach Schulzenrecht. Der Landesherr überwies einem
Unternehmer in der für das Dorf bestimmten Feldflur eine Anzahl von Hufen zu freiem
Eigentume mit der Verpflichtung, ein Gehöft darauf anzulegen und das Schulzenamt
über das Dorf zu verwalten. Der Unternehmer, welchem das Schulzenamt zusammen
mit dem Gut erblich übertragen war, wurde „Lehnschulze“ genannt. Er hatte die
übrige Feldflur in bäuerliche Besitzungen abzugrenzen und diese mit Kolonisten zu be-
setzen. Letztere blieben persönlich freie Leute und erhielten den Grund und Boden meist
zu Erbzinsrecht verliehen, d. h. sie konnten ihn beliebig vererben und veräußern, mußten
jedoch dem Markgrafen in Anerkennung seines landesherrlichen Obereigentums einen
Zins zahlen, für öffentliche Zwecke wie für die Unterhaltung der Burgen, Wege und
Dämme Dienste leisten und in jedem Dorfe für das Heer einen Heerwagen ausrüsten.
Außerdem entrichteten die Ansiedler den landesherrlichen Dezem und die Beden; zu
weiteren Leistungen waren sie niemand verpflichtet. Der Schulze dagegen war frei
von Hufenzins und Dezem, mußte dafür aber Lehnskriegsdienst zu Roß leisten und
eine Lehnswere entrichten.? In derselben Weise wurden die schlesischen Gebietsteile
kolonisiert, in welche die deutsche Einwanderung besonders von Sachsen aus erfolgte.
Buntscheckiger sahen die Besitzverhältnisse in dem alten Preußenlande zwischen
der Weichsel und der Memel aus, in welches der Deutsche Orden in der ersten Hälfte
des 13. Jahrh. bekehrend und kolonisierend vorgedrungen war, welches später zum Teil
der Gesetzgebung einer fremden Nation unterworfen, zum Teil der Verwaltung eines
deutschen Fürsten unterstellt wurde. Es lassen sich hier besonders drei typische Formen
der Ansiedelung unterscheiden, die teils aus den von den Ansiedlern nach dem Ordenslande
mitgebrachten Rechtsanschauungen hervorgegangen, teils vom Orden neu erdacht sind.]
Die wichtigste Art des Grundbesitzes im Ordenslande war die nach Kulmischem
Rechte, welches teils auf den Quellen des Sachsen= und Schwabenspiegels beruht,
teils Grundsätze des Magdeburgischen und Flämischen Rechts in sich aufgenommen hat.
Seinen Namen erhielt es von der mit der Rechtsauslegung betrauten und zur Haupt-
stadt des eroberten Landes ausersehenen Stadt Kulm und seine erste Kodifikation in der
sogen. Kulmischen Handfeste v. 28. Dez. 1232, erneuert am 1. Okt. 1251, in welcher
den ersten deutschen Ansiedlern zu Thorn und Kulm ihre Freiheiten verbrieft wurden.
Es gab dem Beliehenen für ewige Zeiten volles, freies, auf beide Geschlechter vererb-
liches Eigentum gegen Entrichtung eines geringen Zinses an den Orden und Leistung
bemessener (d. h. auf die Landesgrenzen beschränkter) Kriegsdienste; der Kölmer selbst war
frei von Scharwerk und Naturalzehnten.“" Die Verleihung nach diesem Rechte erfolgte ent-
weder zur Ansiedelung mit einem abgesondert belegenen Gehöft, woraus die Kölmischen
Güters entstanden sind, oder zur Gründung von Dorfgemeinden. Zu diesem Ende
wurden entweder mehrere freie Männer mit einem unbebauten Territorium der Art
* Schröder, S. 419; Genzmer, S. 35, Forstländereien, die seit dem 17. Jahrh. gegen
Anm. 3; Bornhack, Die Entstehung des einen an die landesherrliche Forstschatulle (da-
Rittergutsbesitzes u. s. w., a. a. O., S. 129. her der Namel) zu zahlenden Gutszins zur
*Korn, a. a. O., S. 1—7; Riedel, Mark Bebauung als freies Eigentum nach Kölmischem
Brandenburg, II, S. 203. Rechte verliehen worden sind. v. Haxtbausen,
: Bgl. z. Folgenden bes. Genzmer, S. 5—8,S. 203. O. V. G., VIII, S. 96. Über die
u. d. Anlage z. Entw. der neuen L. G. O. Stellung d. Köllmer vgl. auch O. V. G., XXlI.
* O. V. G., XVI, S. 230. S. 120.
5 Chatullkölmische Güter sind ebemalige