Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Ergänzungsband. Das Recht der Kommunalverbände in Preußen. (4)

Ortsgemeinden; geschichtliche Entwickelung der Ortsgemeinden. (F. 11.) 45 
beliehen, daß sie untereinander gleiche Rechte hatten, sich die Gemeindeverfassung setzen 
und ihre Obrigkeit wählen konnten, oder einem einzelnen freien Manne wurde die An- 
legung des Dorfes, ähnlich wie in Brandenburg, nach Schulzenrecht übertragen. 
Die von dem Schulzen angesetzten Kolonisten erhielten ihre Grundstücke zwar auch zu 
kölmischen Rechten, waren aber nicht wie die unmittelbaren Kölmer dem Landesherrn 
zu Kriegsdiensten, sondern nur zu Abgaben verpflichtet. War der mit der Anlegung 
des Dorfes Betraute ein Adeliger, so erfolgte die Beleihung an ihn gewöhnlich zu adeligen 
Rechten, und er hatte dann das Recht, die Dorfstellen mit hörigen Leuten zu besetzen, 
welche seine eigenen Unterthanen wurden; sie waren ihm, nicht dem Landesherrn zu Ab- 
gaben und Diensten verpflichtet und hatten an Grund und Boden kein Eigentum, sondern 
nur ein Nutzungsrecht. 
Eine fernere Beleihungsart war die nach Preußischem Rechte, welche besonders 
in der ersten Zeit der Ordensherrschaft und nur an eingeborene Preußen stattfand, die 
sich dem Orden freiwillig unterworfen und das Christentum angenommen hatten. Sie 
gab den Beliehenen — welche auch eine ganze Gemeinde bilden konnten — einen 
usprünglich in beiderlei Geschlecht, später nur auf die direkten männlichen Nachkommen 
vererblichen Lehnsbesitz. Der Besitzer war frei von Zehnten und bäuerlichen Diensten, 
aber verpflichtet, dem Orden ungemessene (nicht auf die Landesgrenzen beschränkte) Kriegs- 
dienste zu leisten, und bisweilen auch berechtigt, sein Land mit freien Hintersassen zu 
besetzen.! 
Endlich wurde im 15. Jahrh. die Beleihung nach Magdeburgischem Lehns- 
rechte üblich, welches ein zunächst nur auf männliche Nachkommen, dann auf solche 
beiderlei Geschlechts vererbliches Lehnrecht, verbunden mit einem Rückfallsrecht an 
den Verleiher, begründete. Allein diese Beleihungsart, welche sich übrigens bei ganzen 
Dörfern nicht findet, hatte ebenso wie die vorerwähnte keine bleibende Bedeutung. In 
Westpreußen wurden durch Privileg des Königs Kasimir von Polen im Jahre 14762 
und in Ostpreußen durch die Lehnsassekuration Friedrichs 1. im Jahre 1732 die 
preußischen und magdeburgischen Besitzungen allodifiziert und den kulmischen gleichgestellt. 
Besonders geartet waren endlich die Verhältnisse in Pommern und den polni- 
schen Landesteilen, zu welchen bis zum Jahre 1163 auch ein großer Teil der heutigen 
Provinz Schlesien gehörte. Das alte Polnische Recht, welchem die noch heute in 
Schlesien vorhandenen Czaudengüter ihre Entstehung verdanken, kannte das Lehns- 
verhältnis überhaupt nicht. Daher war auch der Bauer in seinem Geltungsgebiete 
unabhängig und freier Eigentümer seines Grund und Bodens, und erst später sind 
hier durch deutsche Einwanderer die deutschen Besitzverhältnisse hineingetragen. Gerade 
umgekehrt stand es in Pommern. Hier zerfiel in der ältesten Zeit das ganze Land 
nur in die Latifundien des wendischen Adels, welche mit Hörigen aller Art besetzt 
waren, ein rechtlich freier Mittelstand zwischen diesen beiden Bevölkerungsklassen fehlte 
ganz. Diese strengen Hörigkeitsverhältnisse haben sich wenigstens im Osten des Landes, 
wo der alte Adel zu besonderer Macht gelangt war, bis in spätere Zeiten erhalten, 
während im Westen allerdings im Laufe des 12. Jahrh. mit dem Vordringen des 
Christentums die Lage der Hörigen verbessert wurde und sich in den auf dem Grund 
und Boden der Klöster gegründeten sogen. Stifts= und RKlosterdörfern sogar ein um- 
fassendes deutsches Bauernrecht ausbildete. Auch hier wurde das Schulzenamt gewöhn- 
lich zusammen mit dem Schulzengute zu Lehn gegeben. 
Alle diese durch die deutsche Kolonisation begründeten Dörfer waren lediglich unterste 
Bezirke für die staatliche Verwaltung, innerhalb welcher die Abgaben und Dienste der 
Bauern für den Landesherrn entrichtet, die Ortspolizei und die niedere Gerichtsbarkeit 
von dem Schulzen als Organ des landesherrlichen Vogtes gehandhabt wurden. Eine 
kommunale Bedeutung haben die Dörfer im östlichen Deutschland erst im 18. Jahrh. 
gewonnen, die bis dahin unter den Bauern in gewissen Beziehungen (hinsichtlich des 
  
1 O. B. G., XVI, S. 226. Aus diesen Be- : UÜber die in Westpreußen unter polnischer 
leihungen find die sog. preuß. Freigüter Herrschaft entstandenen Gratial-, Quart= und 
entstanden. Langüter, welche heute keine besondere recht- 
: O. B. G., XVI, 227, daselbst weitere Lit= liche Stellung mehr einnebmen, vgl. Genzmer, 
teraturnachweise. S. 6.
	        
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