Full text: Die Reichsregierung.

_— II — 
„Dem Präsidium steht es zu, für einzelne Zweige der Ver- 
waltung besondere Kommissarien zu ernennen, welche nach Maß- 
gabe des erhaltenen Auftrages den Bundeskanzler vertreten und 
für den Bund zu vereidigen sind“). 
Da Art. ı2 abgelehnt worden und nichts an dessen Stelle 
getreten war, wurden die Anträge v. Bennigsen mit 140 gegen 
124 Stimmen und Lasker zu Art. ı5 wiederholt und wiederum 
abgelehnt ?). 
Jetzt trat der Moment ein, den ein gewiegter Parlamentarier ®) 
folgendermaßen charakterisiert: „Es ist keine ungewöhnliche Er- 
scheinung im parlamentarischen Leben, daß sich die Gregensätze 
der Parteien an einem bestimmten Punkte in prinzipiellen Aus- 
einandersetzungen scheinbar unversöhnlich zuspitzen, daß die 
Majorität und doch die siegende Sache selbst in der Meinung der 
Majorität tief erschüttert ist; dann bietet sich ein anderer Punkt, 
an dem die soeben unterlegene Sache in etwas anderer ab- 
geschwächter Form und unter Vermeidung prinzipieller Fest- 
stellungen einen leichten Sieg gewinnt.“ 
So kam es, daß noch an demselben Tage der kurz vorher 
bei Art. ı5 abgelehnte, von v. Bennigsen zu Art. ı8 des Ent- 
wurfs (Art. ı7 der Reichsverfassung) aufs neue gestellte Antrag, 
der vom Regierungstische aus als die Annahme des Verfassungs- 
werks gefährdend bekämpft worden war, nunmehr ohne längere 
Diskussion und ohne Widerspruch der Bundeskommissarien mit 
sehr großer Mehrheit angenommen wurde‘). 
Bei der ganz außerordentlichen Tragweite dieses Amende- 
ı) Der Antrag Kitz (daselbst): „Der Bundeskanzler und die Vorstände der 
einzelnen Verwaltungszweige können nicht aus den Vertretern der einzelnen Mitglieder 
des Bundes ernannt werden“, wollte also die Personalunion des Kanzlers und des 
preußischen Ministerpräsidenten, die sich später als unbedingt notwendig erwies, ver- 
hindern. 
2) Bezold, Bd. I, S. 725, 767. 
3) Hänel, Studien, Teil II, Heft ı, S. 18. 
4) Bezold, Bd. I], S. 771.
	        
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