führender Bundesratsbevollmächtigter Preußens. Wenn auch nicht
staatsrechtlich, so ist es doch politisch notwendig, daß er zu-
gleich preußischer Ministerpräsident, um die Uebereinstimmung
der preußischen und deutschen Politik in seiner Person zu gewähr-
leisten.
Die zweimalige Trennung der beiden Aemter unter Bismarck
1873, als Graf Roon!) und unter Caprivi?) (1892—1894), als Graf
B. Eulenburg die Stellung eines preußischen Ministerpräsidenten
übernommen hatte, zeigte die Unzulässigkeit einer derartigen
Trennung, die man nicht mehr wiederholte 3).
ı) Diese Ministerpräsidentschaft Roons dauerte vom I. Januar bis 9. November
1873, an welchem Tage ihm die infolge seines Gesundheitszustandes erbetene Ent-
lassung aus seinen Aemtern gewährt wurde. Vgl. über diese Periode Denkwürdig-
keiten aus dem Leben des Grafen Roon, Bd. III, S. 3490ff. Nach Roons Rücktritt
übernahm Fürst Bismarck wieder die Stellung eines Ministerpräsidenten.
2) Diese Trennung erfolgte im März 1892 nach der Zurückziehung des preußi-
schen Schulgesetzes, um Caprivi in der Stellung des Reichskanzlers erhalten zu können.
Sie endigte mit seinem Rücktritte vom Kanzlerposten (26. Oktober 1894). Fürst
Hohenlohe schreibt hierüber an Baron WVölderndorff in München (4. Januar 1899):
„Ihr Rat, ich sollte das Präsidium des Staatsministeriums aufgeben, ist nicht wohl
ausführbar. Caprivi hat es getan und ist darüber gefallen.“ (Denkwürdigkeiten des
Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe -Schillingsfürst, Stuttgart u. Leipzig 1906, Bd. II,
5. 534.)
3) Die Ansicht von Anschütz (G. Meyer-Anschütz, S. 459f.), „daß viel
wichtiger als die Realunion des Reichskanzleramts mit dem Amte des preußischen
Ministerpräsidenten diejenige mit dem preußischen Ministerium der auswärtigen An-
gelegenheiten sei, erscheint zu formalistisch. Die Instruktion der preußischen Bundes-
ratsbevollmächtigten erfolgt in allen wichtigen Fragen nur auf Grund eines Beschlusses
des Staatsministeriums. Der Präsident desselben ist nicht der der Dienstzeit nach
älteste Minister, sondern in der Regel der in der Leitung der Politik des Staates aus-
schlaggebende. Es kommt nicht darauf an, wer formell die Instruktion erteilt, sondern
darauf, wer seiner Stellung und Persönlichkeit nach den größten Einfluß auf die Fest-
setzung der materiellen Instruktion ausübt. Dieser hat wegen der notwendig zu er-
zielenden Uebereinstimmung auch dafür Sorge zu tragen, daß die preußische Politik
nicht in anderem Geiste als die Reichspolitik geleitet wird. Die Berufung auf Bismarck
scheint mir nicht begründet zu sein. Denn Bismarck hat wohl von der Verbindung
des Kanzleramts mit dem preußischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten
gesprochen, weil er eben von der bestehenden Personalunion dieses Ministers mit dem
Ministerpräsidenten ausging und diese voraussetzte. Am ı1o. März 1877 sagte Bismarck
im Reichstag in bezug auf den Versuch von 1873: „Ich habe versucht, ich habe eine
Zeitlang aufgehört, preußischer Ministerpräsident zu sein, und habe mir gedacht, daß
xh als Reichskanzler stark genug sei. Ich habe mich darin vollständig geirrt; nach