mehr. Es ist also offenbar ein Wechsel der Anschauung über die
Zulässigkeit der Kontrasignatur durch den Stellvertreter eingetreten.
Die erste Kontrasignatur des Präsidenten Delbrück in Ver-
tretung des Bundeskanzlers findet sich unter dem Allerhöchsten
Erlaß vom 3. November ı870'), betreffend die Abänderung des
$ ı5 der Instruktion zur Ausführung des Bundesgesetzes wegen
der Quartierleistung für die bewaffnete Macht während des Friedens-
zustandes vom 25. Juni 18682).
Mit kaiserlicher Genehmigung hat er seine Vertretung für
die Zeit seiner Beurlaubung am ı7. Mai 1872 dem Präsidenten
des Reichskanzleramts und am ıı. April 1877 diesem in den
laufenden Geschäften bezüglich der inneren Verwaltung und bezüg-
lich der auswärtigen dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
übertragen. Dem Reichstage?®) wurde in beiden Fällen Anzeige
erstattet. Erst im letzteren Falle wurden Zweifel über die Ver-
fassungsmäßigkeit dieser Stellvertretung vom Abgeordneten Hänel
erhoben. Hänel?) betonte, daß vom formal juristischen Stand-
punkte aus diese Stellvertretung nur unter zwei Voraussetzungen
nicht zu beanstanden sei, nämlich unter der Voraussetzung, daß
jede Kontrasignatur eines kaiserlichen Erlasses ausschließlich dem
Reichskanzler vorbehalten werde, und unter der zweiten Voraus-
setzung, daß mit der Stellvertretung in den laufenden Geschäften
die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers und damit die oberste
1) Bundesgesetzblatt 1870 (S. 515): Wilhelm.
In Vertretung des Bundeskanzlers.
Delbrück. v. Roon.
2) Sodann findet sich eine Kontrasignatur unter dem Allerhöchsten Erlaß betreffend
die Veränderung der Organisation der Marine-Intendantur, vom 18. Juni 1872 (Reichs-
Gesetzblatt, S. 361): Wilhelm.
In Vertretung des Reichskanzlers:
Delbrück.
Ferner unter dem Allerhöchsten Erlaß betreffend die Kaiser Wilhelms-Stiftung für
die Angehörigen der deutschen Reichspostverwaltung vom 29. August 1872 (Reichs-
Gesetzblatt, S. 373).
3) Sten. Ber. 1872, Bd. I, S. 453; 1877, Bd. I, S. 369.
4) Sten. Ber. 1877, Bd. I, S. 4ıg£f.
Rosenthal, Die Reichsregierung. 3