Leitung der Geschäfte, mithin das Gesamtverhältnis zum Reichstag
fortbestehe. Der Staatssekretär des auswärtigen Amtes bejahte das
Vorhandensein beider Voraussetzungen‘). Hänel vertrat die Auf-
fassung, daß jedes weitere Fortschreiten auf dem hier eingeschlagenen
Wege der Stellvertretung materiell zur Verfassungswidrigkeit führen
müsse. Fürst Bismarck ?) hatte seine Befugnis der Ernennung eines
Stellvertreters auch für seine Funktionen als Reichsminister auf
Art. ı5s Abs. 2 der Reichsverfassung („der Reichskanzler kann
sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrats vermöge schrift-
licher Substitution vertreten lassen“) gestützt.
Daß diese Bestimmung sich nur auf die Stellvertretung im
Bundesratsvorsitze bezieht, ergibt sich aber aus der Entstehungs-
geschichte) des Art. ı5.
Auf Grund der 1877 im Reichstag geäußerten Zweifel hielt
es die Reichsregierung doch für erforderlich, die Zulässigkeit der
Stellvertretung des Reichskanzlers als Reichsminister gesetzlich
unanfechtbar festzustellen, nachdem sie bezüglich der Gegen-
zeichnung kaiserlicher Anordnungen und Verfügungen in der
Reichsverfassung nicht ausdrücklich ausgesprochen war.
So entstand das Reichsgesetz über die Stellvertretung ‘) des
ı) Nach dem Berichte Tiedemanns hat Fürst Bismarck bei einer Besprechung
des preußischen Staatsministeriums am 29. März 1877 erklärt, daß, falls sein Gesuch
um Pensionierung abgelehnt und ihm nur ein Urlaub bewilligt würde, er darauf
bestehen werde, daß für die Dauer des letzteren eine vollständige Stellvertretung mit
der Wirkung eingerichtet werde, daß er von der Verantwortlichkeit entlastet werde.
Vgl. Chr. v. Tiedemann, Sechs Jahre Chef der Reichskanzlei, Leipzig 1909, S. 125 f.
2) Reichstagsrede vom 5. März 1878 (Sten. Ber. 1878, Bd. I, S. 342.)
3) Das ist die herrschende Meinung. Vgl. Smend, S. 322f.; G. Meyer-
Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 6. Aufl., Leipzig 1905, S. 460ff.
‘und die daselbst Zitierten. Den entgegengesetzten Standpunkt vertrat Fürst Bismarck
in der Reichstagssitzung vom 5. März 1875 (Sten. Ber., S. 342), ebenso Joel, Die
Substitutionsbefugnis des Reichskanzlers (Annalen d. D. Reichs, 1878 S. 4o2ff.), und
Hensel, Die Stellung des Reichskanzlers (Annalen d. D. Reichs, 1882, S. 3ff.).
4) Daß Bismarcks Pläne bezüglich seiner Stellvertretung ursprünglich ganz andere
und im gewissen Sinne gegenteilige waren, als die im Bundesrate formulierten Bestim-
mungen, läßt ein Brief des Fürsten Bismarck (vom Varzin 17. Dez. 1877, abgedruckt
bei Oncken, Rudolf v. Bennigsen, Stuttgart u. Leipzig 1910, Bd. II, S. 326) erkennen,