nung übertragen werden. Soweit die Stellvertreter des Kanzlers
tätig werden, übernehmen sie allein für ihre Handlungen und die von
ihnen kontrasignierten kaiserlichen Anordnungen und Verfügungen
die volle konstitutionelle Verantwortlichkeit des Reichskanzlers.
Die Stellvertreter bleiben dem Reichskanzler untergeordnet,
der befugt ist, jede Amtshandlung auch während der Dauer einer
Stellvertretung selbst vorzunehmen ($ 3)). Soweit der Reichs-
kanzler von dieser Befugnis Gebrauch macht, übernimmt er selbst-
verständlich die Verantwortlichkeit und die des Stellvertreters
zessiert.
Dieses Eingriffsrecht steht auch dem Generalstellvertreter,
dem der gesamte Umfang der Obliegenheiten des Reichskanzlers
übertragen ist, gegenüber den Spezialstellvertretern zu?). Prak-
tisch wird das nur werden während einer Funktionsunfähigkeit
(z. B. Krankheit) des Reichskanzlers. Dann kann ein solcher
Eingriff in die Amtssphäre eines Spezialstellvertreters durch
die (Greneralstellvertreter unter Umständen sogar zur Pflicht
werden 9).
Dieses Eingriffsrecht dürfte in der Praxis nicht zur Anwen-
dung kommen. Man hat nie von dessen Anwendung etwas er-
fahren. Jeder Stellvertreter wird eine wichtige Entscheidung für
sein Ressort nicht treffen, ohne sich vorher im persönlichen Ver-
kehr oder, wenn dies wegen Abwesenheit des Kanzlers nicht
1) Der württembergische Minister v. Mittnacht führte in den Beratungen
des Reichstags (Sten. Ber. 1878, Bd. I, S. 412) treffend aus: „Aber dazu kann
man, glaube ich, den Reichskanzler nicht verurteilen, daß er untätig zusieht, wenn
solche Stellvertreter nach seiner Meinung unrichtige und gefahrdrohende Bahnen durch
die unrichtige Behandlung eines Amtsgeschäftes einschlagen; dann muß der Reichs-
kanzler intervenieren können.“ Fürst Bismarck (daselbst S. 413) hielt die Befugnis
des $ 3 für unentbehrlich und, wenn sie nicht ausgesprochen wäre, für selbstver-
ständlich.
2) Vgl. Smend, S. 337f.
3) Laband, Bd. I, S. 385 macht mit Recht darauf aufmerksam, daß die poli-
tische Verantwortlichkeit auch für Unterlassungen bestehe und mithin auch in der
Richtung geltend gemacht werden könne, daß der Reichskanzler von der ihm nach
& 3 zustehenden Befugnis keinen Gebrauch gemacht habe.