6.
Da man in der Lösung der Frage der Gestaltung der Reichs-
regierung durch das Stellvertretungsgesetz von 1878 nur ein Pro-
visorium — als permanentes Provisorium hatte es der Abgeordnete
v. Helldorf bezeichnet — erkannte und nicht meinte, daß aus
den Fällen der Verhinderung eine dauernde Einrichtung er-
wachsen würde, kam das Verlangen nach Reichsministerien
nicht zur Ruhe.
Bei den Beratungen des Reichstages über die Verfassung des
Norddeutschen Bundes im Jahre 1867 stand diese Frage, wie oben!)
schon ausgeführt wurde, im Vordergrunde?) der Diskussion 3).
Schon nach 2 Jahren, in der Reichstagssession 1869 war
dann wiederum folgender Antrag Twesten-Münster, der von 102
Abgeordneten unterzeichnet war, gestellt worden: „Den Bundes-
kanzler aufzufordern, für die zur Kompetenz des Bundes ge-
hörigen Angelegenheiten eine geordnete Aufsicht und Verwaltung
durch verantwortliche Bundesministerien, namentlich für auswärtige
Angelegenheiten, Finanzen, Krieg, Marine, Handel und Verkehrs-
wesen im Wege der Gesetzgebung herbeizuführen“ ®),
Es wurde ausdrücklich betont, und auch schon die Namen
einer großen Zahl von Abgeordneten, die den Antrag unter-
zeichnet hatten (Nationalliberale und Freikonservative), ließen keinen
Zweifel in dieser Richtung‘) zu, daß der Antrag kein Mißtrauens-
ı) Vgl. S. gff.
2) Ueber die Frage der Ministerverantwortlichkeit haben sich noch in teilweise
vortrefflichen Ausführungen außer dem Grafen Bismarck verbreitet u. a. die Abg.
v. Sybel, Waldeck, Schulze (Delitzsch), Braun und Miquel (Bezold, Bd.I, S. 589ff.,
596, 602, 623, 637, 640f.).
3) Vom Abg. Duncker war nach Annahme das Amendements v. Bennigsen ein
Antrag auf Ernennung eines verantwortlichen Bundeskriegs- und Bundesmarineministers
and einer auf Emennung eines Bundesfinanzministers (der mit dem preußischen Finanz-
minister identisch sein könnte) gestellt, aber abgelehnt worden (Bezold, Bd. II,
5. 466, 556).
4) Bezold, Bd. III, S. 1132.
5) Darauf wies auch Graf Bismarck hin (Bezold, Bd. III, S. 1165).