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zu vertretenden Vorlage zu gewinnen und je nach der Wichtig-
keit der Sache unter Umständen ihr amtliches Schicksal mit dieser
verknüpfen.
Die Personalunion des deutschen Kaisertums mit dem preußi-
schen Königtum ist die beherrschende Grundlage der deutschen
Reichsverfassung. Sie fordert eine Uebereinstimmung der deutschen
Reichspolitik mit der preußischen Staatspolitik. Nur dadurch, daß
alle Präsidialanträge vor ihrer Einbringung im preußischen Staats-
ministerium beraten werden, wird die Uebereinstimmung der
Reichsregierung mit der preußischen Regierung, ohne welche das
Reich nicht denkbar ist, gesichert). Zur Herstellung einer solchen
genügt aber nicht die politisch unentbehrliche Verbindung des
Amtes des Reichskanzlers mit der Stellung des preußischen
Ministerpräsidenden. Fürst Bismarck hat sich öfters beschwert über
die Hemmungen, denen seine Politik im Schoße des preußischen
Staatsministeriums begegnet ist. Zur Führung der Reichspolitik
bedarf aber der Reichskanzler der Unterstützung des preußischen
Staatsministeriums. Denn die Instruktion der preußischen Stimmen
im Bundesrate erfolgt in allen wichtigeren Sachen durch den
König auf Grund eines Beschlusses des Staatsministeriums ?).
Gefahr, daß die Vertreter des Bundespräsidiums in den Kommissionen (des Bundesrats)
in der Minorität bleiben, beseitigt wird; denn wenn der Vertreter des Bundespräsi-
diums das Departetement vor dem Reichstag zu repräsentieren hat, so werden sich
seine Kollegen innerhalb der Kommissionen zweimal besinnen, bevor sie ihn in die
Minorität bringen.“
I) Laband, Der Bundesrat (Deutsche Juristenzeitung 1911, S. 5).
2) Schon in der ersten ordentlichen Reichstagssession (28. September 1867,
Sten. Ber., Bd. I, S. 137) sprach sich Graf Bismarck über diesen Punkt aus: „Ich
habe schon in den Diskussionen des verfassungsgebenden Reichstags erwähnt, es
werde die Aufgabe des Bundeskanzlers sein, mit seinen preußischen Kollegen Fühlung
zu halten. Diese Fühlung wird dadurch gewonnen und bewahrt, daß ich für
Preußen keine Vorlage in den Bundesrat einbringe und keine wesentliche und durch-
schlagende Erklärung abgebe, ohne mich vorher des Einverständnisses der preußischen
Kollegen versichert zu haben. Jede preußische Vorlage, die in den Bundesrat gebracht
werden soll, erscheint vorher auf dem amtlichen Vortragsregister des preußischen
Staatsministeriums und wird dort diskutiert, gerade als ob sie in den preußischen
Landtag eingebracht werden sollte.“