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gebiete beseitigt werden, die zu seiner Kenntnis gebracht werden,
namentlich wenn dies durch die Volksvertretung geschieht.
Fürst Bismarck dachte sehr hoch von seiner und der Minister!)
Verantwortlichkeit und hat sie wiederholt in seinen Reden vor-
trefflich charakterisiert ?).
ı) Er wollte nicht, daß der Träger des Amtes, also die verantwortliche Persön-
lichkeit hinter dem neutralen Amt verschwinde. So läßt er seinen Sohn Herbert an
Tiedemann (29. Februar 1879) schreiben: „Ich bin überhaupt ein Feind von der
anonymen Bezeichnung „Amt“ als verantwortliche Firma. Jede ministerielle Verant-
wortlichkeit soll vielmehr eine rein persönliche sein, von der nicht eine amtliche Stelle,
sondem eine Person betroffen wird.“ (v. Poschinger, Neues Bismarck-Jahrbuch,
Wien 1911, Bd. I, S. 206.)
2) In der Reichstagssitzung vom ı. Dezember 1874 (H. Kohl, Bd. VI, S. 208f.)
verbreitete sich Fürst Bismarck wieder in einer ausgezeichneten Rede über die Be-
deutung und die Grenzen der ihm obliegenden Verantwortlichkeit: „Ich erlaube mir,
dem eben Gehörten nur einige Worte über die Natur der Verantwortlichkeit, die ich
als Reichskanzler zu tragen glaube, hinzuzufügen und meine Ansicht über die Frage
auszusprechen, inwieweit ich mich bei dieser Gelegenheit zu einem abstracten Begriff
zu verflüchtigen und inwieweit ich materiell in die Sachen einzugreifen habe, um unter
Umständen meiner Verantwortlichkeit gerecht werden zu können.
Es wäre ja eine sehr anmaßliche Behauptung, wenn ich glauben zu machen ver-
suchte, daß ich alle Einzelheiten des weiten Geschäftskreises, für den ich die Verant-
wortlichkeit trage, selbst zu übersehen und selbsttätig zu betreiben oder auch nur mit
Sicherheit zu beurteilen vermöchte. Darin kann meines Erachtens die Verantwortlich-
keit des Reichskanzlers nicht gesucht werden, daß jede spezielle Maßregel innerhalb
des ganzen Bezirks, für den er verantwortlich ist, gerade als von ihm persönlich her-
rührend und gebilligt angesehen wird; es kann im Gegenteil mitunter vorkommen, daß
ich sogar mit einer Vorlage persönlich nicht einverstanden bin, daß ich aber doch,
gegenüber der sachkundigen Quelle, aus der sie fließt, mir vor öffentlicher Erörterung
und durchgreifender Diskussion nicht die Autorität zutraue, um auf meinen eigenen
Kopf hin der Vorlage zu widersprechen, sondern mir sage, ich will sie lieber gehen
lassen, bis ich selbst ein genaueres Bild davon gewonnen haben werde. Ich bin
meines Erachtens dafür verantwortlich, daß an dex Spitze der einzelnen Zweige der
Reichsverwaltung Leute stehen, die nicht nur dazu befähigt sind, sondern die ihre
Verwaltung im Großen und Ganzen in der Richtung des Stromes führen, den das
deutsche politische Leben nach der augenblicklichen Richtung des deutschen Geistes
und der deutschen Geister zu laufen genötigt ist, daß kein Zwiespalt nicht nur inner-
halb der verschiedenen — lassen Sie mich einmal den Ausdruck gebrauchen — Reichs-
ministerien, sondern auch kein dauernder prinzipieller Zwiespalt innerhalb der großen
Körperschaften, die dem Reiche seine Gesetze und Einrichtungen geben, einreiße, auch
kein Mißtrauen und keine Feindschaften zwischen den einzelnen Bundesgliedern; im
Wesentlichen aber dafür, daß an jeder Steile, die zu besetzen ist, Jemand steht, der
nach dem gewöhnlichen Ausdruck „tanti“ ist, diese Geschäfte zu besorgen. Für alle