des Reichskanzlers und das eines jeden Staatssekretärs hat an
Macht gewonnen. Es darf nur daran erinnert werden, daß die
Präsidialanträge des Kaisers, die der Reichskanzler einbringt, zu
einer ständigen unbestrittenen Einrichtung des Reichsstaatsrechts
geworden sind).
Keine der Befürchtungen ist in einer die Interessen des Reichs
oder die Rechte der Bundesstaaten schädigenden Weise in Er-
füllung gegangen.
Die Reichsgesetze werden jetzt fast ausschließlich in den
Reichsämtern und nicht mehr wie früher in den preußischen
Ministerien ausgearbeitet). Hierin liegt nicht eine Schädigung des
Bundesrats, sondern es muß den Wünschen der Regierungen
der Einzelstaaten entsprechen, daß dies durch ihre, des Reichs
Ministerien und nicht mehr durch die des „Nachbars“, der Mini-
sterien des Königreichs Preußen geschieht.
In unserer deutschen Reichsministerialverfassung mit ihrer
absoluten Zentralisation ist ein neuer staatsrechtlicher Typus ge-
schaffen, der aber im Grunde praktisch von der Einrichtung des
englischen Kabinetts mit seinem Premier nicht wesentlich abweicht.
Auch in anderen Kulturstaaten ist es die Persönlichkeit des
Premierministers, die dem Ministerium Namen und Gepräge ver-
leiht. Man spricht in Frankreich von einem Ministerium Grambetta,
Briand, Caillaux und in Italien von einem Ministerium Crispi,
Giolitti, und wenn auch hier bei der Kabinettsbildung nach dem
in diesen Ländern herrschenden System der parlamentarischen
Regierung auf die Vertretung der einzelnen zur Mehrheit ge-
hörenden politischen Parteien im Ministerium Rücksicht zu nehmen
ist, so bestimmt doch der Premier die Richtung der Gesamtpolitik.
Daß er dann einzelne Mitglieder seines Kabinetts, die in wichtigen
I) Und wenn man diese geschäftsordnungsmäßig als preußische behandelt, so ist
das, wie Triepe! (Unitarismus, S. 63) richtig betont, „eine von föderalistischer Gewohn-
heit diktierte Fiktion“.
2) Vgl. Rehm, Unitarismus und Föderalismus in der deutschen Reichsverfassung,
Dresden 1898, S. 17,