Fragen von seiner politischen Grundauffassung abweichen, zur
Demission veranlaßt und durch andere Persönlichkeiten, die seine
Gesamtpolitik besser stützen, ersetzt, hat die Geschichte der letzten
Epoche wiederholt gezeigt.
Schließlich ist auch im preußischen Staatsministerium die
Persönlichkeit des Ministerpräsidenten als des Hauptvertrauens-
mannes des Königs maßgebend für den politischen Charakter des
Gesamtministeriums. Auch in Preußen war und ist nicht anders
wie in den parlamentarisch regierten Staaten von einem Ministerium
Manteuffel, Bismarck, Bülow gesprochen worden. Nicht anders
steht es im Deutschen Reich.
Man sieht trotz des erheblichen formal-juristischen Unter-
schieds in Wirklichkeit ein sehr ähnliches Bild in der Gestaltung
der Zentralregierung.
Fast möchte man glauben, daß die Tendenz der Entwicklung
des Ministerialsystems in den Kulturstaaten sich in der Richtung
der Gestaltung der deutschen Reichsregierung fortbewegt.
IO.
Wenden wir uns zum Schlusse wieder der Bezeichnung „Reichs-
regierung“ oder der gleichbedeutenden „Kaiserlich deutsche Re-
gierung“ zu, so ist davon auszugehen, daß Regierung sowohl eine
Funktion des Staates) als ein Staatsorgan bezeichnet. Als solches
fassen wir hier die Reichsregierung auf.
ı) In diesem Sinne sagt E. Loening (Grundzüge der Verfassung des Deutschen
Reichs, Leipzig 1901, S. 113: „Die Reichsregierung wird von dem Kaiser geführt.“ —
Vgl. über gouvernement als Funktion „l’exereise par le souverain de l’autorit& pub-
lique“, und dann „le pouvoir ex&cutif et ses organs immediats“. Esmein, Elements de
droit constitutionnel frangais et compare, 5. ed., Paris 1909, p. 21. In der Bedeutung
von Ministerium wird gouvernement ebenfalls in Frankreich gebraucht, z. B. Ges. vom
1. Juli 1887 a. 3: „Chaque annee, le gouvernement fera connaitre par une decision
prise en conseil des ministres .. .“ In dieser Bedeutung vom Ministerium auch in
England vorkommend „synonym with ministry or administration — to form a govemn-
ment (Bradley, A new English dictionary, Oxford 1901, Vol. IV, p. 325). Aber
wie in Deutschland ist auch in England und Frankreich die Bedeutung des Wortes
keine einheitliche.