98 Der Vogelsberg.
Zum großen Teil wird die Viehzucht noch als Weidewirt—
schaft betrieben; die Hutweiden nehmen einen großen Teil des
Geländes ein mit ihrem steinigen Boden, hier und da von
rohen Steinwällen und Mauern aus aufgelesenen Steinen
eingeschlossen, die oft mit Gestrüpp bewachsen sind. In ähn-
licher Weise sind übrigens bei Ulrichstein teilweise die Acker
eingehegt. Der Viehzucht dienen auch die großen Wiesen—
flächen, besonders in den flachen Talanfängen, die oft mehrere
hundert Morgen groß sind. Früher wurde neben der Rind—
viehzucht noch Schafzucht in größerem Umfang betrieben; sie
ist jedoch jetzt vollständig in den Hintergrund getreten und die
Anzahl der gehaltenen Schafe hat in letzter Zeit stetig ab—
genommen; während nämlich in ganz Oberhessen 1882 noch
über 100 000 Stück vorhanden waren, ist diese Zahl 1895 auf
61 000 zurückgegangen.
Der geringen Entwicklung der Industrie entsprechen die
bis vor kurzem noch sehr wenig entwickelten Verkehrsverhält-
nisse. Die großen Verkehrsstraßen vom Süden her umgehen
den Vogelsberg von jeher bequem im Westen durch die Wet-
terau nach der Hessischen Senke, im Osten durch das Kinzigtal
über den Landrücken ins Fuldatal, deshalb war die Notwendig-
keit zum Straßenbau quer durch das Gebirge nicht vorhanden.
Außerdem hat der Straßenbau insofern mit Schwierigkeiten
zu kämpfen, als alle Straßen, die nicht radial dem Mittelpunkt
zustreben, genötigt sind, die strahlenförmig vom höchsten Teil
des Kegels auslaufenden Bergrücken mit ihren steilen Ab-
häugen zu überschreiten. Daher sind sowohl die Chausseen,
die an den Abhängen des Vogelsbergs entlang um ihn herum-
führen, wie die Bahnen am Abhang — Gießen—Fulda,
Gießen—Gelnhausen — zu vielen und zum Teil weit aus-
greifenden Bogen genötigt. Trotzdem ist das Straßennetz
schon seit längerer Zeit umfassend ausgebaut und infolge des
vorzüglichen, überall an Ort. und Stelle zu beschaffenden