56 Das Rheinhessische Hügelland.
etwas schwerfälliger, aber durch den reichen landwirtschaft-
lichen Ertrag liefernden und gut ausgenutzten Boden auch hier
an ein besseres Leben, wie an größere Ansprüche bezüglichseiner
Behausung usw. gewöhnt. Die Dörfer sind sehr ansehnlich, oft
noch mit mehr oder minder gut erhaltenen Resten alter Be-
festigungen, die Häuser stattlich und viele davon nach städtischem
Muster zweistöckig gebaut. Sie drängen sich in den Dörfern
dicht zusammen und stehen oft mit der Breitseite nach der
Straße; auf dem höchsten Punkt des Dorfes steht die
Kirche; die Hofreiten sind, befonders nach der Straßen-
seite zu, vollständig durch Mauern geschlossen; hinter den
Häusern, besonders am äußeren Rand des Dorfs, erstrek-
ken sich die eingezäunten Grab= und Obstgärten, während
bei größeren Hofreiten kleine Ziergärten meist nahe beim
Haus liegen. Besonderheiten in der Tracht haben sich schon
lange infolge des regen Verkehrs verloren, auch sonstige be-
sondere Eigentümlichkeiten sind nur wenige zu vermerken.
Dazu gehört vor allem der an französische Vorbilder erin-
nernde, das Haupttransportmittel im landwirtschaftlichen Be-
trieb darstellende zweiräderige Karren, im Volksmund der
„Karch“ genannt, der mit fest mit dem Wagen verbundener
kräftiger Schere zum Einspannen des Pferds versehen und
zum Teil zum Kippen nach hinten eingerichtet ist. Auch finden
sich häufig besondere dialektische Eigentümlichkeiten und Ab-
weichungen in der Anwendung des Artikels — „der“ Butter
und „der'“ Bretzel, aber „die“ Bach —, während die noch Mitte
des vorigen Jahrhunderts fast allgemein gebräuchlichen fran-
zösischen Beimengungen in der Sprache, besonders Titel und
Personenbezeichnungen und ähnliches umfassend, jetzt aus-
sterben. « ·
Die Verteilung der Konfessionen zeigt in Rheinhessen eine
sehr starke Zersplitterung, indem die Orte zwar in sich meist
geschlossen zu einer Konfession gehören, aber evangelische und