Der Vogelsberg. 93
verzögert sich ihr Abgang in den höheren Strichen bis zum
April; dadurch und durch das im Erdreich zurückgehaltene
Wasser erwärmt sich der Boden erst sehr spät, was sich im
Zurückbleiben der Vegetation gegenüber den benachbarten
Gegenden unliebsam bemerkbar macht. Hier erfolgt das Auf-
blühen der Pflanzen im Frühling daher rund einen Monat
später als in der Oberrheinischen Tiefebene und Rheinhessen
ünd selbst noch einen halben Monat später als im Odenwald.
Mit dem Schneefall tritt oft starker Wind auf; diese Schnee-
stürme, das sog. „Wusterwetter“, sind in den höheren Teilen
des Vogelsbergs sehr gefürchtet und haben schon manches
Opfer an Menschenleben gefordert. Aber auch bei hellem
Wetter sind die Nord= und Nordostwinde, die „Hessenluft",
wegen ihrer schneidenden Kälte im Winter gefürchtet. Unter
ihnen hat besonders der Nord= und Nordostabhang zu leiden
und die Täler, die in nördlicher und nordöstlicher Richtung
ziehen. In neuerer Zeit hat man versucht, durch Aufforstungen
stellenweise wenigstens einigen Schutz dagegen zu bieten.
Mehr geschützt gegen diese rauhen Winde ist der Süd= und
Südwestabhang, der durch das vorliegende Gebirge gedeckt
wird. Hier ist deshalb überhaupt milderes Klima zu finden;
die Täler sind mit Obstbäumen besetzt und die Walnuß steigt
bis zur Höhe von Schotten, 280 m ü. d. M. Anders ist es auf
dem hohen Vogelsberg und den nördlichen Abhängen; die
geschilderten Schnee= und Windverhältnisse, die geringere
Wärme und das stellenweise häufige Auftreten von Herbst-
nebeln, die die landwirtschaftlichen Kulturen schädigen, indem
sie den Reifeprozeß unterbrechen und das Einernten erschweren,
legen hier der Ausnutzung des Bodens große Hindernisse in
den Weg. Daß in Grebenhain und an anderen Orten zwei
Drittel des landwirtschaftlich benützten Bodens aus Gras-
flächen und nur ein Drittel aus Ackerland besteht, daß Ulrich-
stein ohne Apfel ist, und in Herchenhain Apfel= und Zwetschen-