Der Vogelsberg. 95
lei Hinsicht in dem landwirtschaftlichen Betrieb, dem ver—
alteten und unrentablen Hütewesen und der Weidewirtschaft.
Künstlicher Dünger wird fast nicht verwandt, sondern gänzlich
abgelehnt. Durch dies zähe Festhalten am Alten hat sich aber,
wo das Gewohnheitsrecht der Einzelerbfolge besteht, ein wohl-
habender, seßhafter Bauernstand erhalten, da das Gut beim
Übergang in die Hände des Erben immer geringer, als sein
reeller Wert ist, angeschlagen wird und die Geschwister nach
diesem Anschlag mit Geld abgefunden werden. Die Gewohn-
heiten, die Trachten usw. sind nicht überall die gleichen, viel-
mehr haben manche Einzellandstriche, wie das Schwalmtal,
das Niddatal usw., ja manchmal sogar einzelne Dörfer ihre
besonderen Eigentümlichkeiten. Die Bevölkerung des Vogels-
bergs gehört zur evangelischen Konfession, mit Ausnahme der
Dörfer des sog. „Katzenbergs“ bei Alsfeld, die früher fuldisch,
und von Herbstein, das kurmainzisch war.
Im ganzen ist das Gebiet nicht sehr dicht bevölkert, wofür
orographische und klimatische Gründe verantwortlich gemacht
werden müssen. Außerden spielt hierbei die verschiedene Hand-
habung des bäuerlichen Erbrechts mit, dem zufolge im Vogels-
berg meist Einzelerbfolge herrscht, während in der nahe
gelegenen und politisch mit ihm verbundenen Wetterau Real-
teilung beim Erben eintritt; es ist aber leicht begreiflich, daß
im letzteren Fall die Güterteilung befördert, kleinere Güter
und dadurch mehr Bewohner geschaffen und dadurch die Be-
völkerungsdichte vergrößert wird. Diese Verschiedenheiten im
gewohnheitsmäßigen Erbrecht dürften aber ihrerseits doch
wieder ihren letzten Grund in orographischen und klimatischen
Verhältnissen und der dadurch bedingten Ertragsfähigkeit des
Bodens haben; denn in der Wetterau werden 5 ha, im Vogels-
berg dagegen mindestens 10 ha für unbedingt notwendig ge-
halten, um eine Familie zu ernähren. Die geringste Be-
völkerungsdichte findet sich im hohen Vogelsberg, in dem der