Full text: Kriegsbuch. Erster Band. (1)

Bek. über die Vertretung der Kriegsteilnehmer v. 14. Januar 1915. 51. 147 
schriften des BGB. und des F##G. finden keine Anwendung. Insbesondere 
besteht kein Zwang zur Ubernahme der Vertretung und keine Beaufsich- 
tigung der Prozeßführung durch den Vorsitzenden oder das Prozeßgericht. Der 
Vertreter ist während der Dauer seiner Vertretungsmacht berechtigt, den Prozeß 
nach eigener selbständiger Entschließung zu führen, ohne an die Zu- 
stimmung oder an die Weisungen eines anderen gebunden zu sein; er kann sich 
hierbei eines Bevollmächtigten bedienen, braucht dies aber nicht, auch dann nicht, 
soweit Anwaltszwang besteht, wenn er bei dem Prozeßgericht als Anwalt zuge- 
lassen ist. Er ist nicht an den Umfang der Prozeßvollmacht gebunden. 
Die allgemeinen Vorschriften über die Vertretung, aber nicht die besonderen 
über die rechtsgeschäftliche Vollmacht in den S§ 164 ff. BGB. kommen zur An- 
wendung. Hiernach binden die Erklärungen und Handlungen des Vertreters 
innerhalb seines Wirkungskreises den Kriegsteilnehmer nicht bloß für die Zeit 
der Kriegsbehinderung, sondern darüber hinaus für alle Folgezeit. 
b) Nissen, LeipzZ. 15 207: Es ist anormalerweise dem Vorsitzenden des 
Prozeßgerichts die Aufgabe gestellt, einen Vertreter zu bestimmen, der für den 
Kriegsteilnehmer die streitige Rechtsangelegenheit zu verwalten, also mit Bezug 
auf diese selbständige Beschlüsse zu fassen und auszuführen und sie angezeigten 
Falles der gerichtlichen Entscheidung zuzuführen hat, insoweit eine ähnliche 
Stellung wie ein Vormund bekleidend. Seine Aufgabe beschränkt sich 
mithin nicht auf bloße Prozeßvertretung, wobei vielmehr umgekehrt es in die Hand 
dieses Vertreters gelegt ist, ob er für den Prozeß selbst einen von ihm zu be- 
stellenden Spezialbevollmächtigten annehmen oder (soweit prozessual zulässig) in 
ihm selbst auftreten will. Handelte es sich im § 1 VO. nur um einen Prozeß- 
bevollmächtigten im engeren Sinne, so könnte, wenn dieser Aussetzung des 
Rechtsstreits beantragt, weil ihm zufolge der Kriegsteilnehmerschaft des Ver- 
tretenen Informationseinziehung unmöglich sei, dieser Antrag billigerweise nicht 
abgelehnt werden, so daß es also dann doch wieder auf ein Ruhen der An- 
gelegenheit hinauskäme. 
c)Bendix, Recht 15 103: Die Vertretung hat eine Geschäfts- 
besorgung zum Gegenstande. Geschieht sie unentgeltlich, so kommen 
die Vorschriften der §#§ 662 ff. und, wenn sie gegen Entgelt erfolgt, die der 
§§ 611 ff. und 675 BEB. zur entsprechenden Anwendung, soweit solche An- 
wendung mit dem Wesen und dem Zwecke der Vertretung und namentlich damit 
vereinbar ist, daß die Vertretung auf obrigkeitlicher Anordnung beruht. Eine 
gewisse Ahnlichkeit bieten z. B. die Fälle der s§ 449, 779, auch §§ 58 und 787 
3P . sowie des § 29 BE#. (RG. 68 180), wenn z. B. ein Ersatzvorstands- 
mitglied ohne oder gegen den Willen des Vorstandes auf Antrag eines anderen 
Beteiligten bestellt wird. Auch hier werden im Innenverhältnis obige materiell- 
rechtlichen Vorschriften entsprechend anwendbar sein. 
d) Cahn, Baypfl 3. 15 100: Nissen (loben 1b) meint, daß der Vertreter 
kraft der ihm verliehenen Verwalterstellung eine über die einseitige Vertretungs- 
macht des Prozeßbevollmächtigten hinausgehende Zuständigkeit habe. Da man 
die Erfahrung machte, daß die Partei der Kriegsteilnehmer leider nur allzu häufig 
den Feldzug zum Vorwande verzögerlicher Behandlung nahm, könnte einem diese Auf- 
fassung nur erwünscht und deshalb sollte sie expressis verbis festgelegt sein. 
Allein die VO. vom 14. Januar 1915 gibt einer Erläuterung im Sinne von 
Nissen — streng genommen — keinen Raum. Weitere Befugnisse und Pflichten, 
als sie ein Vertreter im Sinne des bürgerlichen Rechtes (58§ 164 ff.) 
aufweist, kann man in die knappe VO. vom 14. Januar 1915 nicht hineinlegen. 
e) Heß a. a. O. 48: Der Vertreter hat alle Rechte eines gesetzlichen- 
Vertreters, jedoch nur im Rechtsstreit; er kann innerhalb des Rechtsstreits alle 
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