Full text: Kriegsbuch. Erster Band. (1)

176 B. Geltendmachung von Ansprüchen während der Kriegszeit. 
7. August lolh gescheben. Danach kann das Gericht dem Schuldner, 
wenn seine Lage es rechtfertigt und die Anordnung dem Gläubiger nicht 
einen unverhältnismäßigen NMachteil bringt, eine Krist bis zu drei Monaten 
gewähren. Die Anordnung kann erlassen werden entweder in dem über 
die Derpflichtung des Schuldners anhängigen ordentlichen Rechtsstreit von 
dem Hrozeßgericht (§ D oder nach Maßgabe der Dorschriften des § 2 von 
dem Anmtsgericht, in dessen Bezirk der Gläubiger seinen allgemeinen 
Gerichtsstand hat, oder, wenn bereits ein vollstreckbarer Titel vorliegt und 
eine Fristbewilligung auf einem der beiden anderen Wege nock nicht erfolgt 
ist, von dem Dollstreckungsgericht unter Einstellung der Swangsvollstreckung 
(8§ 3). Die Maßregel ist auf solche Derpflichtungen beschränkt, die vor dem 
S1. Juli 1014 entstanden find; wer an diesem Tage oder später Der- 
pflichtungen einging, kann sich billigerweise nicht darauf berufen, daß er 
von normalen wirtschaftlichen Derhältnissen ausgegangen sei. Die Maß- 
regel ist ferner auf solche Fälle beschränkt, in denen der Gläubiger einen 
auf Geld gerichteten Anspruch erhebt; hierdurch werden mittelbar auch 
Ansprüche auf andere Ceistungen getroffen, da der Gläubiger, wenn 
solche Ansprüche infolge des Krieges vom Schuldner nicht befriedigt 
werden können, regelmäßig auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen 
in Geld angewiesen ist, die dann unter die Derordnung fallen. Die Su- 
lassung der gerichtlichen Bewilligung von Sahlungsfristen bildet zugleich 
einen Antrieb für die Harteien, sich im Wege des Dergleichs selbst darüber 
zu verständigen, in welcher Weise den Sablungsschwierigkeiten des Schuld- 
ners Rechnung getragen werden soll. Da auckh im übrigen während des 
Krieges Dergleiche über schwebende Rechtsstreitigkeiten besondere Förderung 
verdienen, hat der Bundesrat nach 84a. a. O. allgemein die Gerichts- 
gebühren für den Fall, daß ein Rechtsstreit durch einen vor Gericht ab. 
geschlossenen oder dem Gericht mitgeteilten Vergleich erledigt wird, auf 
die Hälfte ermäßigt, übersteigt der Streitgegenstand nicht 100 M., so 
sollen im Vergleichs falle Gerichtsgebühren überhaupt nicht erhoben werden. 
Die gleiche Kostenermäßigung soll eintreten, wenn nach 8 2 a. a. O. ein 
Anerkenntnisurteil ergeht. 
Begröündung zu der Verordunug vom 20. Mai 1915. 
Während der § 1 der Bekanntmachung vom 7. August 1014 sich bewährt 
hat und in weitem Umfang zur Anwendung gekommen ist, hat der — frühere — 
§s# 2 praktische Bedeutung kaum erlangt. Dies ist im wesentlichen darauf 
zurückzuführen, daß die Entscheidung nach § 2 nur in einem auf Antrag des 
Gläubigers zu erlassenden Anerkenntnisurteil ergehen kann; der Gläubiger 
ist infolgedessen in der Lage, den vom Schuldner erstrebten Sweck durch 
das Ausbleiben in dem Termin oder durch die Unterlassung des Antrags 
zu vereiteln. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß in allen 
Fällen eine mündliche Derhandlung vor Gericht erforderlich ist, und daß 
die Kosten des Derfahrens im Falle der Suzielung von Anwälten eine 
erbebliche höhe erreichen können. Das Bedürfnis, den #2 in einer für 
die praktische Handhabung geeigneteren Weise umzugestalten, ist namentlich 
in Ansehung der Pvpotbekenforderungen hervorgetreten. Die Bekannt- 
machung vom 20. Mai 1015 (Rel. 288) kommt diesem Bedürfnis ent- 
gegen. Sie sieht an Stelle des §& 2 ein beschleunigtes und einfaches Be- 
schlußverfahren vor, das obne mündliche Verhandlung zulässig ist (§ 4)
	        
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