Full text: Kriegsbuch. Erster Band. (1)

20 A. Das Sonderrecht der Kriegsteilnehmer. 
A. Die Voraussetzungen der Unterbrechung. 
1. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten. 
1. Allgemeines. 
a) Glaser, DJ3Z. 14 1076: Eine strenge Auslegung und Anwendung der an 
sich sehr nützlichen Bestimmungen des § 2 könnte in einzelnen Fällen das Gegenteil 
dessen bewirken, was das Gesetz bezweckt. Ist heute Vernehmung einer auf 
dem Sterbebette liegenden Zeugin im Wege der Beweissicherung oder Erlaß 
einer einstweiligen Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung 
des Anspruchs auf Eintragung einer Bausicherungshypothek (6 648 BG.) oder 
eines Arrestbefehls gegen den seine Habe verschleudernden Schuldner oder die 
Entmündigung eines verschwenderischen Sohnes beantragt und erfolgt morgen die 
Einberufung des Antragstellers, ehe den Anträgen stattgegeben ist, so wird bei 
wortgetreuer Auslegung kraft Gefetzes das Verfahren unterbrochen: die Zeugin 
mag unvernommen sterben, der Besteller das Baugrundstück veräußern, der 
Schuldner mit dem Erlöse durchgehen, der Sohn sein Vermögen restlos ver- 
prassen, man kann es nicht hindern. Denn bis — wenn es die Geldmittel er- 
lauben — im Trubel der Mobilmachung einem Anwalte nachträglich Prozeßvoll- 
macht erteilt ist und dieser bei Gericht das Verfahren aufgenommen hat, kann es zu 
spät sein. So wirkt der „Schutz“ des Gesetzes Schaden, wird seine Wohltat 
Plage. Daß dies dem Zwecke des Gesetzes zuwiderläuft, ist keine Frage. Die 
Überschrist, die doch auch Gesetzeskraft hat, sagt es deutlich: Wer infolge des 
Krieges an Wahrnehmung seiner Rechte behindert ist, soll durch das Gesetz 
geschützt werden, geschützt natürlich vor den Nachteilen, die eine Nichtwahr- 
nehmung seiner Rechte im Gefolge haben könnte. Die Unterbrechung des Ver- 
fahrens ist nichts als Mittel zum Zwecke seines Schutzes. Darum sollte 
der Satz geprüft werden: Gereicht die Unterbrechung des Verfahrens zum 
offenbaren Nachteile des Kriegsteilnehmers oder widerspricht 
sie seinem Interesse und seinem mutmaßlichen Willen, so hat sie 
zu unterbleiben. 
b) Glaser, JW. 14 906: Hat der Richter Zweifel, so soll er fragen, 
fragen z. B., ob die angeordnete Vernehmung des kranken Zeugen trotz der Ein- 
berufung noch erfolgen solle. Überdies soll er aber auch, soweit die Rücksicht auf 
den Gegner es erlaubt, helfen, raten und belehren. Neben dem erheischt nun 
aber das Bedürfnis auch eine einengende Auslegung des Gesetzes zugunsten 
der Gegner von Kriegsteilnehmern. Beispiele: Ein unverheirateter Offizier hat 
seine Mietwohnung am 1. Juli für Ende September aufgekündigt. Anfang August 
ist er mit seinem Burschen zur Fahne geeilt. Der Vermieter hat die Wohnung ab 
1. Oktober weiter vermietet. Oder: Der Einberufene läßt in seiner Wohnung ein 
nur halb bezahltes, unter Eigentumsvorbehalt gekauftes Klavier zurück, das in ihr 
zufolge der Kriegsereignisse gefährdet ist. Oder: Jemand hat durch Fahrlässigkeit 
einen Mietkraftwagen zuschanden gefahren. Indessen der Vermieter beantragt, im 
Wege der Beweissicherung den Schaden festzustellen, damit er es dann sofort aus- 
bessern und wieder vermieten könne, wird der andere einberufen. Frage: Soll die 
Fortsetzung des Beweissicherungsverfahrens wirklich unzulässig, soll eine einstweilige 
Verfügung auf Leerstellung der Wohnung und anderweite Unterbringung der 
Möbel oder des Klaviers ausgeschlossen sein? Diese Beispiele haben gemeinsam, 
daß die in Frage stehende gerichtliche Maßnahme dem Interesse beider Parteien, 
auch des Kriegsteilnehmers, dienen würde. Wieviel größer z. B. würde der zu 
ersetzende Schaden sein, wenn der Eigentümer seinen Mietkraftwagen bis zum 
Friedensschlusse nicht ausbessern und weiter vermieten könnte! Dieselben Er- 
wägungen wie dort müssen auch hier zu dem Ergebnisse führen, daß eine
	        
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