Bek. über das Verfüttern von Brotgetreide, Mehl und Brot vom 28. Juni 1915. 623
die Anderung dieser Verordnung vom 31. März 1915 (Reichs-Gesetzbl.
S. 201) werden aufgehoben. Die von den Landeszentralbehörden er-
lassenen Ausführungsbestimmungen bleiben in Kraft, soweit sie mit
den Vorschriften dieser Verordnung in Einklang stehen; Zuwider-
handlungen gegen sie werden nach § 9 bestraft.
1. Windels, Kl. 15 56: Zum Begriff „nahlfähig“. Leider haben sich
die Gerichte jetzt mehrfach mit Anklagen wegen Vergehen gegen die Bundesrats-
verordnungen vom 28. Oktober 1914 und 5. Januar 1915 zu befassen. Meistens
wird von den Angeklagten geltend gemacht, der von ihnen verfütterte Roggen sei
nicht mahlfähig gewesen. Demgegenüber sei auf die Ausführungen der Ver-
suchsanstalt für Getreideverarbeitung (Professor Dr. J. Buchwald), abgedruckt in
Nr. 177 des Handelsblatts der Deutschen Tageszeitung vom 8. April 1915, hin-
gewiesen, die auf die Rechtsprechung maßgebenden Einfluß haben werden: „Der
Begriff „mahlfähig“ ist niemals ein feststehender gewesen, und unter den Kriegs-
gesetzen ist unter „mahlfähig“ etwas anderes anzusehen als sonst. Die Kriegs-
gesetze wollen, daß Roggen und Weizen und die aus denselben erzeugten Mehle
ausschließlich der menschlichen Ernährung dienen sollen. Der
Landwirt reinigt das Getreide nach der Ernte und sortiert es in bessere und
geringere Ware. Die geringere Ware, die aus mittleren und kleinen Körnern
besteht, vielleicht etwas reichlich Bruch, Schmachtkörner und Unkrautbesatz enthält,
ist, verglichen mit den besseren Sorten, weniger mahlwürdig. Der Land-
wirt bezeichnet diesen Roggen oft als dritte Sorte oder als Hinterkorn,
Achterkorn, und erzielt für dieses Getreide naturgemäß nur niedrige Preise,
so daß er vorzieht, es im eigenen Betriebe zu verfüttern, oder aber er findet
für diese Sorte bei den Händlern und Mühlen keine Abnehmer, da ja diesen
bessere Getreide zur Verfügung stehen. Dieses geringere Getreide hat sich daher
der Landwirt und der Müller gewöhnt, als nicht mahlfähig, bzw. als Futter-
getreide anzusehen. In Wirklichkeit ist es aber sehr wohl mahlfähig
und sehr wohl geeignet zur Bereitung von Brotmehl. Allerdings
ergeben solche Getreide bei Erzielung einer bestimmten Mehlausbeute ein etwas
dunkleres Mehl als das bessere Getreide. Doch auf die Mehlqualität kommt
es heute nicht an. Es ist Sache des Müllers, durch Mischen besserer und ge-
ringerer (kleinkörniger) Ware eine zufriedenstellende, mittlere Mehlqualität zu
erzielen. Also auch die geringeren Getreidesorten, d. h. die dritte Sorte,
das Hinter-, Achterkorn, die der Landwirt sich gewöhnt hat als Futtergetreide
anzusehen und zu verfüttern, sind mahlfähig im Sinne des § 1 Abs. 1 und 2
Bundesrats VO. vom 28. Oktober 1914 und tauglich zur Herstellung von
Mehl, das sich zur Brotbereitung eignet.“
2. RG. Sächs Arch. 15 243: Mahlfähig ist nicht zu verwechseln mit mahl-
fertig. Mahlfähig ist auch solcher Roggen, der vor dem Mahlen noch der
Reinigung bedarf. Diese Auslegung ist schon deshalb geboten, weil anderenfalls
aller noch unausgedroschener Roggen zum Verfüttern frei wäre, was den Zwecken
der Verordnung sicher widersprechen würde. Das Verfüttern von Scheunen-
rückständen, in denen sich einige gute Körner befinden mögen, ist nicht verboten;
hier wäre die Trennung der wenigen Getreidekörner vom Abfall offenbar unwirt-
schaftlich und im ordnungsmäßigen Betriebe nicht durchführbar. Der Irrtum
über den Begriff der Mahlfähigkeit ist ein Irrtum über das Strafgesetz und des-
halb unbeachtlich.
3. RG. LeipzB. 15 827: Der Roggen war mahlfähig, denn es ist aus
dem Roggen Mehl und aus diesem genießbares Brot bereitet.