Full text: Kriegsbuch. Erster Band. (1)

Bekanntmachung über Zulassung von Strafbefehlen vom 4. Juni 1915. 745 
ziehung oder einem von beiden androhen, kann die Strafe durch Straf- 
befehl des Amtsrichters festgesetzt werden. 
Sachen, in denen der Antrag auf Erlaß des Strafbefehls gestellt ist, 
gelten als zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehörig. Auf das Ver- 
fahren finden die §§ 447 bis 452 der Strafprozeßordnung mit der Maß- 
gabe Anwendung, daß der Antrag auf Erlaß des Strafbefehls von dem 
Staatsanwalt zu stellen ist. 82 
Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft. 
Literatur. 
Falck, Zum Strafbefehlsverfahren, DIZ. 15 708. — Heinrici, Die Bundesrats- 
verordnung vom 4. Juni 1915 über Zulassung von Strafbefehlen bei Vergehen gegen 
Vorschriften über wirtschaftliche Maßnahmen Leipz#. 15 865. 
I. Allgemeine Zedeutung. 
Heinrici a. a. O. 865: In den Verordnungen, die der Bundesrat auf 
Grund des § 3 Ermächt G. vom 4. August 1914 erlassen hat, befinden sich ziemlich 
viele Strafvorschriften. Die Zuwiderhandlungen gegen sie sind trotz des anzu- 
erkennenden Bestrebens der Mehrheit der Bevölkerung, sich in die durch den 
Krieg bedingte Neuordnung der Dinge zu finden, zahlreich, was seine Erklärung 
darin findet, daß die notwendig gewordenen wirtschaftlichen Maßnahmen sehr tief 
in die Gewohnheiten der erwerbenden Bevölkerung wie der Verbraucher ein- 
greifen. Angedroht sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Vergehensstrafen, 
die sämtlich höher sind als der für die Zuständigkeit der Schöffengerichte und 
die Zulässigkeit des Strafbefehlsverfahrens maßgebende Strafrahmen des § 27 
Nr. 2 GVG. (3 Monate Gefängnis oder Geldstrafe von höchstens 600 M.). 
Die Folge ist, daß bei allen Zuwiderhandlungen eine Hauptverhandlung, und 
zwar regelmäßig vor den Strafkammern, stattfinden muß; einige Vergehen, die 
aber zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen, sind überweisungsfähig. In vielen 
Fällen ist jedoch, wie sich bei Handhabung der Vorschriften ergeben hat, die Sach- 
und Rechtslage so einfach, daß der mit der Verhandlung vor dem erkennenden 
Gericht, insbesondere der Strafkammer, verbundene Aufwand an Kräften, Zeit. 
und Kosten bei der gegenwärtigen Lage der Dinge in keinem rechten Verhältnisse 
zu der Bedeutung der Verfehlung steht. Auf der anderen Seite führt die große 
Zahl der anhängig werdenden Verfahren zu einer Uberlastung der Strafkammern, 
die zu einer Verlangamung des Verfahrens führt. Im Irnteresse der 
Wirksamkeit der Strafe muß aber dafür Sorge getragen werden, daß die Strafe 
der Verfehlung möglichst schnell nachfolgt. Das gilt um so mehr, wenn es sich 
wie jetzt um die Durchsetzung der durch den Krieg notwendig gewordenen wirt- 
schaftlichen Maßnahmen handelt. Die Bekanntmachung vom 4. Juni 1915 soll 
den hervorgetretenen Ubelständen abhelfen, indem sie bei solchen Zuwider— 
handlungen das Strafbefehlsverfahren, das sich bewährt hat, eine schnelle Er- 
ledigung der einzelnen Sache ermöglicht und gleichwohl Gewähr für eine gerechte 
Beurteilung bietet, für anwendbar erklärt. Der Gedanke liegt nahe, daß das 
gleiche Ergebnis zu erreichen gewesen wäre, wenn man die Strafrahmen entsprechend 
niedriger festgesetzt hätte. Dieser Weg war indessen nicht gangbar. Zwar handelt 
es sich durchweg um Strafbestimmungen, die polizeiliches, nicht kriminelles Unrecht 
sühnen sollen. Die in solchen Fällen gewöhnlichen Strafdrohungen, die sich inner- 
halb der Grenze des § 27 Nr. 2 GV. halten, sind jedoch unter den besonderen 
Verhältnissen des Krieges nicht streng genug. Der Gesetzgeber will den Ernst 
und die große Bedeutung seiner Maßnahmen auch dadurch zum Ausdrucke bringen,
	        
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