Bek. über Krankenversicherung und Wochenhilfe während des Krieges v. 28. Jan. 1915. 839
Gewãhrung einer außerordentlichen Wochenhilfe aus Mitteln des Reichs sichert.
Diese Wochenhilfe knüpft an ähnliche Maßnahmen der Reichsversicherungsordnung
an; sie beschränkt sich aber nicht auf die allen Krankenkassen für ihre Mit-
glieder als Pflichtleistung obliegende Gewährung eines Wochengeldes, sondern
umfaßt zugleich die meisten derjenigen Unterstützungen, welche die Kassen als
Mehrleistungen nur gewähren können. Demgemäfß besteht die Reichswochen-
bilfe aus einem Hauschbetrage von 25 M. als Beihilfe zu den Krzt= und den
hebammenkosten bei der Entbindung selbst, einem ferneren Betrage bis zu 10 M.
als Beihilfe für ärztliche und hebammenbehandlung bei Schwangerschafts-
beschwerden, einem Wochengelde in Hhöhe von 1 M. auf den Aag, einschließlich
der Sonn= und Leiertage und auf die Dauer von acht Wochen, endlich einem
Stillgeld für die ihren Säugling selbst nährende Mutter von einer halben Mark
täglich auf die Dauer von zwölf Wochen. In geeigneten Sällen können die Kassen
beschließen, die erforderliche hilfe durch Arzt und hebamme in Natur zu gewähren;
in diesem FSalle steht der entsprechende Dauschbetrag ihnen selbst zu.
Die schon erwähnte Doraussetzung liegt darin, daß der Ehemann selbst zu
dem Kreise der reichsgesetzlich gegen Krankheit versicherten Dersonen gehört
oder doch innerhalb eines angemessenen bestimmten zeitraums vor seiner Ein-
ziehung gehört hat. Eine genaue Kbgrenzung war notwendig, um die Wohltat
dieser Wochenhilfe nur denjenigen Kreisen zufließen zu lassen, die ihrer im all-
gemeinen bedürftig erscheinen. hierbei ergab sich von selbst die Knlehnung an die
reichsgesetzliche Krankenversicherung, in der auf Grund langjähriger Erfahrungen
diejenigen Schichten der werktätigen Bevölkerung bereits sorgsam zusammen-
gefaßt sind, die einer öffentlich-rechtlichen Fürsorge für den Krankheits= und
Entbindungsfall am dringlichsten bedürfen.
Allerdings sind, wie leicht erklärlich, nach Erlaß jener Bekanntmachung
vielfach Wünsche laut geworden, die eine Erweiterung des Kreises der Berechtigten
erstreben. Dor allem ist einer Kusdehnung auf die Ehefrauen der rbeitslosen
und sodann einer Mitberücksichtigung des Mittelstandes, zumal der kleinen
handwerker, das Wort geredet worden. Kllein die Kufgabe einer Sürsorge
für die Krbeitslosen läßt sich — schon wegen der großen technischen Schwierig-
keiten — nicht aus Knlaß einer dringlichen Notverordnung in Angriff nehmen.
Zudem wird mit hilfe der vom Reichstag bei seiner letzten Tagung bewilligten
Mittel in anderer Weise für eine Unterstützung der Hrbeitslosen Sorge getragen.
Knderseits ist es mißlich, den durch die Reichsversicherungsordnung einmal
gesetzlich festgelegten Kreis zu durchbrechen. Geschieht dies nach einer Richtung
hin, so kann es mit ähnlich guten Gründen auch nach einer anderen Richtung
hin gefordert werden. Jede anderweitige Hbgrenzung wird also leicht den TCha-
rakter des Willkürlichen annehmen. Was aber im besonderen die kleinen Ge-
werbetreibenden betrifft, so bietet ihnen schon die Reichsversicherungsordnung
die Möglichkeit der freiwilligen Dersicherung; alle, die davon Gebrauch gemacht
haben, gehören auch zum Kreise der nach der Bekanntmachung vom . De-
zember 1914 Berechtigten. Wer aber selbst in regelrecht verlaufender Seit eine
Dersicherung für sich und die Seinigen in Krankheits= und Entbindungsfällen
nicht für nötig gehalten hat, kann keine Härte oder Unbilligkeit darin erblicken,
wenn der Gesetzgeber ihn jetzt nicht in gleicher Weise wie diejenigen mit einer
unentgeltlichen Juwendung bedenkt, welche seither schon durch eigene Beitrags-
leistung für sich gesorgt haben.
Rach einer anderen Seite hin hat dagegen der Bundesrat eine verbesserte
Wochenhilfe, wenn auch nicht aus Reichsmitteln, noch für angezeigt erachtet.