Full text: Kriegsbuch. Erster Band. (1)

Stellungnahme zu den englischen Versicherungsgesellschaften. 911 
könnten, mußte demgegenüber zunächst zurückstehen. Die Vorschriften des engli- 
schen Kriegsrechts vom August und September 1914 waren damals teils noch 
nicht bekannt, teils noch nicht einmal erlassen. Im Verlaufe der sich anknüpfenden 
Verhandlungen hat sich dann der Abschluß von Haftungs= und Uberführungs- 
verträgen mit leistungsfähigen deutschen Unternehmungen als der gangbarste Weg 
erwiesen, weil dabei das Bestreben dieser Unternehmungen, mit einem Schlage 
größere Versicherungsbestände und vielfach zugleich eine geschäftstüchtige Ver- 
treterschaft zu erwerben, dem Wunsche der englischen Gesellschaften nach Eindeckung 
ihrer Risiken entgegenkam. Der regelmäßige Inhalt dieser Verträge ist der, daß 
die deutsche Gesellschaft gegenüber den Versicherten die selbstschuldnerische Haftung, 
gegenüber dem bisherigen Versicherer die volle Rückversicherung übernimmt, 
ihrerseits dagegen die noch nicht verdienten Prämien, ferner umfassende Voll- 
machten zur Abwicklung des Geschäfts und zur Überführung jeder einzelnen 
Versicherung mit Einwilligung des Berechtigten erhält. Die Aufsichtsbehörde 
nimmt an, daß die Versicherten aus solchen Verträgen auch ohne vorangegangene 
Uberführung einen Anspruch unmittelbar gegen die deutsche Gesellschaft erlangen 
(§ 328 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). 
Hiermit wurde zunächst der Hauptzweck, jedem Versicherten einen zuverlässigen 
und ununterbrochenen Versicherungsschutz ohne doppelte Prämienzahlung zu er- 
halten, erreicht. Zugleich wurde jedem Beteiligten die Möglichkeit geboten, sofort 
zu einer deutschen Gesellschaft überzugehen. Allerdings kommt hierfür bis zum 
Ablaufe der Versicherung nur die Vertragsgesellschaft in Betracht; wer mit ihr nicht 
abschließen will, bleibt, wenigstens dem Namen nach, bei der englischen Unter- 
nehmung versichert. Je umfassender und rascher die Uberführung gelingt, deslo eher 
ist die englische Gesellschaft aus dem deutschen Versicherungsgeschäft ausgeschaltet. 
Nach dem Stande vom 15. Februar 1915 hatten 12 englische Sachpver- 
sicherungsgesellschaften unter Billigung der Aufsichtsbehörde Haftungs= und Über- 
führungsverträge mit leistungsfähigen deutschen Gesellschaften abgeschlossen, während 
bei einigen weiteren Gesellschaften aussichtsvolle Verhandlungen schwebten. Eine 
deutsche Niederlassung (die der Guardian) war in Konkurs geraten; bei den 
übrigen Gesellschaften, deren deutsches Geschäft nur von geringem Umfang 
ist, hat sich die Angelegenheit teils durch gütliche Stornierung der noch laufenden 
Versicherungen, teils dadurch erledigt, daß der Hauptbevollmächtigte auf Anregung 
des Aufsichtsamts die Versicherten über die Sachlage verständigte und ihnen den 
Abschluß einer anderweitigen Versicherung freistellte. Auch handelt es sich hier 
vielfach um kurzfristige Versicherungen, so daß der Versicherungsbestand von selbst 
schneller Auflösung verfüällt. 
Bei dieser Sachlage konnte ein wirkliches Bedürfnis nach einer Ausnahme- 
maßregel, wie es die Feststellung eines Kündigungsrechtes durch ein Sondergesetz 
offenbar sein würde, nicht anerkannt werden. Hiermit wird der Entscheidung der 
Frage, ob etwa ein Rücktrittsrecht aus allgemeinen Gesichtspunkten des bürger- 
lichen Rechts hergeleitet und ob es insbesondere etwa auch nach dem Abschluß 
eines Haftungs. und Uberführungsvertrags der vorbezeichneten Art ausgeübt 
werden kann, selbstverständlich nicht vorgegriffen. Die ordentlichen Gerichte werden 
im Streitfalle darüber zu befinden haben, ob die vielfach angezogenen §§ 321, 323 
des Bürgerlichen Gesetzbuchs hier ihrem Tatbestande nach zutreffen und bejahenden 
Falls ein Rücktrittsrecht begründen, weiter auch, wenn eine dieser beiden Fragen 
verneint werden müßte, ob ein Rücktrittsrecht aus den in der Entscheidung des 
Reichsgerichts vom 28. Januar 1905 (Sivilsachen Bd. 60 S. 56) verwerteten 
Erwägungen unter Heranziehung der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs 
zugestanden werden soll, und ob bei der Entscheidung hierüber, die aus freiem 
richterlichen Ermessen unter Würdigung aller Umstände des Falles zu treffen
	        
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